Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen

Sie kann dir sagen, dass ich dazu fähig wäre.«
    Ich höre ein scharfes Luftschnappen, ein paar gedämpfte Worte, mit denen er offenbar meine Nachricht weitergibt, und schließlich: »Herrgott, Anna, du änderst dich nie, oder?«
    »Dasselbe könnte ich von dir behaupten, Gloria. Der Junge klingt, als wäre er höchstens sechzehn. Er ist ja noch im Stimmbruch. Soll ich lieber die Polizei vorbeischicken?«
    Ihr Lachen ist kurz und bitter. »Rufst du aus einem bestimmten Grund an? Oder macht es dich scharf, mich zu belästigen?« Ich rufe tatsächlich aus einem bestimmten Grund an. Einem sehr wichtigen Grund. Es ärgert mich, dass es mir allein beim Klang ihrer Stimme die Kehle zuschnürt vor Wut.
    »Ja. Diese Eternal-Youth-Promotion – ich habe ein paar Fragen dazu.«
    »Dann setz dich mit meinem Anwalt in Verbindung.« Ihr Tonfall wandelt sich von gereizt zu gelangweilt. »Außer, du möchtest mich bitten, dir ein paar Tiegel zuzustecken. Was ist, fühlst du dich auf einmal alt? Siehst du ein paar Fältchen, wenn du in den Spiegel schaust?«
    Lachen blubbert in mir hoch. Wenn die wüsste… »Nein, du dumme Gans. Ich glaube, mit dem Zeug stimmt etwas nicht. Hast du es ausprobiert?«
    Jetzt ist es Gloria, die lacht. »Machst du Witze? Warum sollte ich mir diesen Mist ins Gesicht schmieren? Ich brauche das Zeug nicht. Und wenn es irgendwann so weit kommt, lasse ich mir meine eigene Formel zusammenstellen. Mir geht es dabei nur ums Geld. Tremaine scheint da über ein einmaliges Produkt gestolpert zu sein. Sie wollte mich als Werbeträgerin engagieren. Ich habe zugesagt. Ende.«
    Teilweise bin ich erleichtert; ein anderer Teil von mir hätte vor Enttäuschung laut heulen mögen. »Woher kennst du Tremaine?«
    »Warum fragst du mich das?«
    Meine Hände umklammern das Lenkrad. »Herrgott, Gloria, kannst du einfach die verdammte Frage beantworten?«
    »Das ist wirklich keine Art, die Leute zur Kooperation zu ermuntern, Anna. Also schön, ich beantworte deine Fragen, wenn du versprichst, danach meine zu beantworten. Quid pro quo.«
    Ich spüre, wie mir das Blut ins Gesicht schießt. Wenn ich die Zeit dazu hätte, würde ich sie mir packen und ihr sämtliche Haare vom Kopf rupfen. Stattdessen sage ich langsam und betont: »Also gut. Schieß los.«
    »Wie geht es David?«
    Mein erster Impuls, keinerlei Informationen über ihren Ex-Freund preiszugeben, weicht rasch einer besseren Idee. »Großartig. Er ist auf den Bahamas, mit seiner Verlobten.«
    Das zeitigt die gewünschte Wirkung. Ein scharfes Luftschnappen, gefolgt von einem ebenso scharfen: »Seiner Verlobten? Seit wann ist er verlobt? Wer ist sie? Kenne ich sie?«
    »Das waren schon drei Fragen, Gloria. Jetzt beantwortest du meine. Wie hast du Simone Tremaine kennengelernt?«
    Ich fürchte schon, sie hätte aufgelegt, so lange dauert das Schweigen, doch schließlich sagt sie: »Über meinen Agenten. Sie hat ihn angerufen, er hat mich angerufen. Wir haben uns geeinigt.« Leises Stimmchen. »Wie heißt sie?«
    »Du kennst sie nicht, Gloria. David hat sie erst kennengelernt, nachdem ihr euch getrennt hattet. Hast du eine Adresse von Tremaine? Eine Telefonnummer?«
    »Nicht hier. Der Vertrag ist in meinem Büro in L. A.«
    Schon wieder eine Sackgasse. Aber wenn ich Tremaine auf anderem Wege nicht finde, kann ich zumindest bei Gloria wieder ansetzen. Einer überraschend kleinlauten Gloria. Sie faucht nicht gleich die nächste Frage zurück, also ergreife ich die Initiative. »Diese Creme – ist das Zeug getestet worden?«, frage ich. »Hat die FDA es zugelassen?«
    Das weckt ihre Lebensgeister. Sie schnaubt. »Du weißt wirklich gar nichts. Kosmetik unterliegt nicht der Zulassungspflicht. Es ist den Firmen selbst überlassen, wie sie die Sicherheit und Wirksamkeit ihrer Produkte nachweisen.«
    Zu förmlich. Diese Frage hat sie wohl schon mal gehört. »Woher weißt du das?«
    »Ich bin nicht dumm, Anna. Ich habe mich damit beschäftigt. Ich hänge mich doch nicht an etwas dran, wofür man mich nachher verklagen könnte.«
    Aha. Soll heißen, ihr Anwalt hat sich damit befasst. Aber kein sterblicher Anwalt hätte wissen oder auch nur vermuten können, dass Tremaine nicht die ist, für die sie sich ausgibt. »Hör mal, Gloria, ich kann selbst nicht fassen, dass ich dir das sage…« Und das stimmt. Nichts wäre mir lieber, als zuzusehen, wie sie möglichst tief stürzt. »Aber mit dieser Tremaine stimmt etwas nicht. Ich will dich warnen. Steig aus, solange du noch kannst.