Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
für die Zentralverriegelung. Ich habe eine erstklassige Alarmanlage. Die hat mir zwar nicht viel genützt, als ein Rudel Werwölfe vor ein paar Monaten über den Wagen hergefallen ist, aber diese Typen sehen nicht wie Werwölfe aus. Und das Fenster des Büros ist so groß, dass ich das Auto von drinnen im Auge behalten kann.
Als ich eintrete, ist am Empfang niemand zu sehen. Hinter dem Tresen hängt ein venezianischer Spiegel. Mist. Hoffentlich kann ich denjenigen, der gleich aus dem Hinterzimmer kommen wird, um mich zu begrüßen, so gründlich ablenken, dass er oder sie mein fehlendes Spiegelbild nicht bemerkt.
Wäre es nicht schön, wenn dieser Jemand zufällig Jason Shelton wäre?
So viel Glück habe ich nicht. Eine Frau kommt durch eine Tür rechts hinter dem Tresen. Sie ist etwa dreißig, ein bisschen rundlich um die Mitte, aber mit den größten Brüsten, die ich je gesehen habe. Die Knöpfe ihrer rosaroten Baumwollbluse spannen sich wie über zwei reifen Melonen. Es fällt einem schwer, nicht daraufzustarren, doch ich zwinge mich aufzublicken. Sie hat wunderschöne grüne Augen und ein offenes Lächeln.
»Guten Morgen«, sagt sie. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich suche nach einem Ihrer Mitarbeiter. Jason Shelton.«
Sie schnaubt. »Willkommen im Club.«
Bei dieser Erwiderung ziehe ich die Augenbrauen hoch. »Arbeitet er nicht mehr hier?«
»Gute Frage. Er hat nicht gekündigt, aber er ist seit zwei Wochen nicht mehr zur Arbeit erschienen.«
»Na toll.« Ich lasse meine Stimme ein wenig quengelig und gereizt klingen. »Sein Telefon ist auch abgestellt. Er ist mein Cousin. Er hat mich eingeladen, ein paar Tage bei ihm zu wohnen, aber das hier ist die einzige Adresse, die er mir gegeben hat – wir wollten uns hier treffen. Scheiße. Meine Wohnung wird gerade vom Kammerjäger ausgeräuchert. Nicht zu fassen, dass er das vergessen hat.«
Sie zuckt mit einer Schulter. »Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann.«
Ich stoße genervt den Atem aus. »Könnten Sie mir nicht sagen, wo er wohnt? Vielleicht ist er gar nicht weggezogen, sondern hat nur einen neuen Job gefunden. Es sieht ihm wirklich nicht ähnlich, einfach so zu verschwinden, ohne rechtzeitig zu kündigen. Ich kann ihm gern ausrichten, dass er sich bei Ihnen melden soll.«
Sie mustert mich argwöhnisch. »Wir sind ein Sicherheitsunternehmen. Wir geben keine persönlichen Informationen über unsere Mitarbeiter heraus.« Okay, Lüge Nummer eins hat nicht funktioniert.
Ich schnaube gereizt und greife in die Jackentasche. Ich hole ein kleines Lederetui heraus und lasse eine Marke aufblitzen – ganz kurz. »Na gut, ich will ehrlich sein. Mein Name ist Cordelia Case. Ich bin verdeckte Ermittlerin beim Raubdezernat.«
Ich stecke die Dienstmarke wieder weg, ehe sie sich das Ding allzu genau ansehen kann. Dann würde sie nämlich merken, dass es ein nachgemachter Sheriffstern aus Blech ist, den ich vor drei Jahren im Urlaub in Deadwood gekauft habe. David und ich haben ihn schon ein paarmal benutzt. Bisher hat niemand genau genug hingeschaut, um meine Dienstmarke als Fälschung zu erkennen.
Auch die grünen Augen mir gegenüber sind nicht schärfer. Der Gesichtsausdruck der Frau jedoch wandelt sich von Argwohn zu Besorgnis. »Sie glauben, Jason…?«
»Wir vermuten, dass Shelton in eine Serie von Einbruchdiebstählen verwickelt ist. Die meisten betroffenen Häuser gehören Kunden Ihrer Firma. Die Einbrüche haben vor zwei Wochen angefangen. Die Adresse, die wir von ihm haben, ist die seiner verstorbenen Mutter. Wir hatten gehofft, dass Sie sich bereit erklären, mit uns zu kooperieren. So könnten Sie Ihrer Firma die Peinlichkeit ersparen, in die Sache verwickelt zu werden.«
Sie zieht eine Augenbraue hoch. »Bei uns wurden keine Einbrüche gemeldet.«
Kluges Mädchen. »Wir haben die Opfer dazu angehalten, mit niemandem darüber zu sprechen. Wenn unsere Ermittlungen beendet sind, werden wir Ihre Kooperationsbereitschaft deutlich hervorheben. Und jeden Verdacht einer etwaigen Tatbeteiligung Ihres Unternehmens ausräumen.« Eine Pause. »Natürlich müssten Sie mir schwören, dass Sie mit niemandem darüber sprechen werden, bis wir Shelton festgenommen haben.«
Sie fixiert mich mit einem stahlharten Blick, der mich schon befürchten lässt, dass sie die Dienstmarke noch einmal wird sehen wollen. »Nicht einmal mit meinem Chef?«
»Vor allem nicht mit Ihrem Chef.« Ich beuge mich über die Theke und senke die Stimme. »Er ist
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