Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
von mir. Zusammen finden wir sicher eine Möglichkeit, dich zum Sprechen zu bringen.«
Jason blickt zu mir auf, rührt sich aber nicht. »Hast du nicht gehört? Ich habe gesagt, du sollst dich anziehen.«
Seine Augen sind wieder die eines Menschen, und die seltsamen dünnen Reißzähne ziehen sich zurück, bis sie nicht mehr über die Lippen hervorragen. Sein Gesicht spiegelt pures Grauen. »Ich kann nicht nach draußen gehen.«
»Du kannst und du wirst.« Ich packe ihn am Arm und schüttele ihn. »Wenn du nicht möchtest, dass ich dich nackt hinaustrage und in den Kofferraum meines Autos werfe, ziehst du dich jetzt sofort an.«
»Ich kann nicht.« Er weicht mir aus und krabbelt rückwärts über das Bett, bis er sich ans Kopfende drückt. »Ich bin ein Vampir.«
»Ich weiß nicht, was du bist«, erwidere ich. »Aber falls du ein Vampir sein solltest, kannst und wirst du mit mir da rausgehen, so oder so.«
Sein Blick schießt zur Tür. »Die Sonne. Ich kann von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nicht nach draußen gehen.«
»Da musst du wohl etwas nachholen, du Hornochse. Vampire haben sich schon vor Jahrhunderten an das Leben im Sonnenlicht angepasst.« Ich ziehe die Vorhänge auf. Es regnet nicht mehr, und eine schwächliche Sonne lugt durch die rasch dahinziehenden Wolken. Ich hebe die Hand und halte sie ins Licht. »Siehst du? Kein Problem. Also hör auf, solche Zicken zu machen.«
Er rührt sich immer noch nicht. Ich habe die Nase voll. Ich beuge mich übers Bett und zerre ihn auf die Füße. »Behaupte nachher nicht, ich hätte dir keine Chance gegeben, vorne zu sitzen.«
Er sträubt sich, doch er ist meiner Kraft nicht gewachsen. Ich zerre eine Jeans von einem Stuhl und werfe sie ihm zu. »Die kannst du dann im Kofferraum anziehen.«
Er schreit, ich solle ihn loslassen, aber ich ignoriere sein Gebrüll. Ich werde ihn in den Park bringen und ihn mir dort vorknöpfen. Die Spritze nehme ich für Williams mit. Wenn er den Inhalt analysieren lässt, gibt uns das vielleicht einen Hinweis auf Burkes Versteck.
In der Tür versetze ich Jason einen Stoß, der ihn über die Schwelle und ins helle Tageslicht befördert. Er taumelt und dreht sich zu mir um. Er reißt die Hände vors Gesicht und lässt die Jeans fallen. Seine Augen sind wieder pechschwarz geworden. Das ist das Letzte, was mir an ihm auffällt, ehe sein Körper in einem grellen weißen Lichtschein explodiert wie ein altmodischer Kamerablitz.
Kapitel 36
Schwefelgestank treibt mit einem Windstoß davon. Gestank und ein Häuflein Asche – mehr ist von Jason Shelton nicht übrig. Instinktiv springe ich zurück. Obwohl ich selbst gesehen habe, was gerade passiert ist, kann ich es nicht begreifen. Ich starre auf die zerknäulte Jeans hinab, die Jason eben noch umklammert hielt.
Jason hat gesagt, er sei ein Vampir. Dennoch hatte ich keine übersinnliche Verbindung zu ihm. Er war nicht annähernd so stark wie die anderen Vampire, mit denen ich bisher zu tun hatte. Die Mädchen, die er für Burke verwandelt hat, scheinen ebenfalls keine besonderen Kräfte zu besitzen. Und jetzt das. Würde den Mädchen dasselbe passieren, wenn sie der Sonne ausgesetzt werden? Himmel. Ich muss Rose warnen.
Vorsichtig trete ich um die Stelle herum, wo Jason eben noch stand. Ich hätte ihn getötet, ohne mit der Wimper zu zucken, sobald er mir Burkes Versteck genannt hätte. Aber dies ist die zweite Vampirverbrennung, die ich in den letzten zwei Tagen gesehen habe. Ortiz’ Tod war grauenvoll, aber ich konnte ihn nachvollziehen. Das hier ist für mich völlig unbegreiflich. Meine Hand zittert, als ich den Schlüssel ins Zündschloss des Jaguars stecke. Ich weiß nicht, ob ich zuerst Rose oder Williams anrufen soll. Also beschließe ich, erst ein Stück von dem Mietshaus wegzukommen, ehe ich etwas unternehme. In einer Seitenstraße gut anderthalb Kilometer weiter halte ich an.
Mir steht das Bild vor Augen, wie Jason augenblicklich zu Asche zerfiel, sobald er ins Tageslicht trat. Mein Herz rast. Was war er? Irgendeine vampirische Unterart?
Ich hole den Zettel mit Roses Adresse heraus, den Williams mir gestern gegeben hat. Er hat auch eine Telefonnummer darauf notiert, und ich greife zum Handy. Rose geht nach dem zweiten Klingeln dran. Ihr »Hallo« klingt besorgt und lässt meine eigene Nervosität noch ansteigen. »Rose, hier ist Anna. Was ist los?«
Ihre Stimme zittert. »Ich weiß nicht, was hier geschieht. Sie sterben, Anna. Schon drei heute Morgen. Ich dachte, sie
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