Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
oder widersetze mich seiner Idee. Tatsächlich bin ich noch gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass Burke mich direkt angreifen könnte. Sie schien sich so gut damit zu amüsieren, mich an ihren Strippen tanzen zu lassen. Doch dass ich diese Mädchen gerettet habe, könnte den Einsatz kräftig erhöht haben.
»Culebra.«
Mehr sage ich nicht. Williams schüttelt den Kopf. »Ich erkundige mich bei Sandra. Falls es irgendeine Veränderung gibt, sage ich dir Bescheid.« Ich begleite ihn zur Tür, schließe sie hinter ihm ab und schleppe mich nach oben.
Jetzt kommt mir die Idee mit dem Scotch nicht mehr so gut vor wie vorhin. Mein Hirn ist benebelt, meine Glieder bleischwer. Ich betrachte das immer noch ungemachte Bett. Whiskey und Schlafmangel machen dieses Detail ebenso nebensächlich wie die Angst, die ich eigentlich empfinden sollte, weil Burke jeden Augenblick zuschlagen könnte.
Ausnahmsweise einmal hoffe ich, dass Williams tatsächlich jemanden postiert hat, der mich bewacht. Beiläufig frage ich mich, ob seine Wachen Vampire oder sonstige Übernatürliche aus dem Kreis der Wächter sein könnten. Sicher hat er keinen gewöhnlichen Streifenwagen organisiert.
Ich schäle mich aus den Klamotten, hole mir eine Decke und ein Kissen und falle auf die nackte Matratze. Mein letzter Gedanke, ehe ich davontreibe, gilt meiner Unterhaltung mit Williams gerade eben – der ersten seit langer Zeit, die nicht damit geendet hat, dass wir gegenseitige Morddrohungen ausstoßen.
Kapitel 33
Als ich am Mittwochmorgen aufwache, regnet es. Ich liege im Bett und lausche dem Prasseln an den Fenstern und auf dem Balkon und wünsche mir, ich könnte mir die Bettdecke über den Kopf ziehen und wieder einschlafen. Dann denke ich an Culebra und diese Mädchen, schäle mich aus dem Kokon meiner Bettdecke und rappele mich auf. Die Zeitung liegt neben ihrer Plastikhülle vor der Haustür. Die unverhüllte Hälfte des Papiers ist durchweicht und hinterlässt eine Spur aus Tropfen auf dem Fußboden. Mist.
Ich schaffe sie schnell zur Küchentheke und breite sie aus. Die Schlagzeile auf Seite eins schreit: »Polizist getötet. Brand in Kosmetikfirma – ein Todesopfer«. Ich reime mir den Artikel aus dem verschwommenen Druck zusammen und stelle fest, dass nicht viel darin steht, was ich noch nicht weiß.
In dem Bericht steht, die Fabrikhalle sei mit der gesamten Produktion einer Creme zerstört worden, die nächste Woche mit einer großen Gala auf den Markt gebracht werden sollte – Eternal Youth, die groß angekündigte neue Anti-Aging-Creme. Die Firma hat eine offizielle Stellungnahme herausgegeben, in der es heißt, man sei zutiefst betroffen über den Tod des Polizisten Mario Ortiz, der als Held in Uniform starb, weil er das Gebäude betrat, um sich zu vergewissern, dass niemand mehr darin war. Man spreche der Familie aufrichtiges Beileid aus. Die Firmenleitung von Second Chance gehe davon aus, dass die Produktion in wenigen Monaten wieder aufgenommen werden könne.
Das glaube ich kaum. Simone Tremaine, Geschäftsführerin von Second Chance, sei nicht bereit, sich zu dem Vorfall zu äußern. Das möchte ich wetten. Burke hat sich aus dem Staub gemacht.
Ich tippe mit dem Fingernagel auf die Zeitung. In dem Artikel steht, die gesamte Produktion sei bei dem Brand zerstört worden. Ich habe aber gesehen, wie irgendetwas auf Lastwagen verladen wurde, als ich am Montag auf dem Firmengelände war. Und auf dem Fließband war rein gar nichts, kurz bevor das Feuer ausbrach. Burke hat ihre kostbare Creme irgendwo in Sicherheit gebracht, ehe sie den Laden hat abfackeln lassen.
Sie wird nicht dazu kommen, das Zeug zu verkaufen. Dafür werde ich sorgen. Williams ruft an, als ich mich gerade unter die Dusche stellen will. »Ich habe die Analyse der Creme«, sagt er.
»Und?«
»Eine Menge Zeug mit chemischen Bezeichnungen, die ich nicht aussprechen kann, bis auf eine. Glycoprotein tierischen Ursprungs.«
»Glycoprotein? Was zum Teufel ist das?«
»Vampirblut.«
»Glycoprotein tierischen Ursprungs? Wie könnte das Vampirblut sein?«
Williams zögert einen Moment, ehe er sagt: »Du kannst oder willst offenbar einfach nicht akzeptieren, dass wir keine Menschen mehr sind, Anna.«
Seine Worte lassen mich schaudern. »Ich bin kein Tier.«
Diesmal wartet er noch länger. »Du bist aber auch kein Mensch mehr«, sagt er schließlich. »Aber wir haben jetzt keine Zeit für solche Debatten. Der Punkt ist: Sie hat in ihrer Creme Vampirblut
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