Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
von dem Gefühl, dass wir jetzt unwiderruflich miteinander verbunden sind. Ich weiß nicht, ob es Culebras Absicht war, doch genau das sehe ich in den Gesichtern von Frey, Sophie und Sandra. Schließlich bricht Sandra das angespannte Schweigen. »Also, dann möchte ich gleich um den ersten Gefallen bitten.« Wir alle sehen sie an.
»Ich will nach Hause.« Das sind genau die richtigen Worte. Die Blase der Beklommenheit um uns herum platzt mit einem fast hörbaren Plopp.
Culebra lacht. »Du kannst gehen, wann immer du willst.«
Der Barkeeper tritt an den Tisch. Er bringt ein Tablett mit gegrilltem Rindfleisch, Hühnchen, mariniertem Gemüse, Bohnen und einem ganzen Stapel dampfender Tortillas. Mit den Tellern stellt er ein halbes Dutzend Flaschen Dos Equis vor uns hin. »Ich hoffe, du wirst vorher noch mit uns essen«, sagt Culebra. Er wirft mir einen Blick zu. »Es tut mir leid, dass ich dir nichts anbieten kann, Anna. Außer du siehst etwas an einem der anderen Tische…«
Ich schüttele den Kopf, greife aber nach einem Bier. »Ich möchte nichts, danke.« Ich verberge meine Ungeduld, während Culebra, Frey und Sandra sich das Essen schmecken lassen. Nur Sophie hält sich zurück. Wegen Deveraux?
Er fängt die Frage auf . Nein. Das ist eine der größten Annehmlichkeiten, wenn man in einem menschlichen Körper haust. Ich kann wieder normales Essen genießen. Keine Blutgier.
Warum isst Sophie dann nichts? Sie sieht mich an. »Ich habe keinen Hunger. Vielleicht könnten wir ein Stück spazieren gehen.«
Culebra schickt mir einen verhüllten Gedanken, so dass nur ich ihn hören kann. Es gibt noch offene Fragen. Das könnte deine Chance sein, ein paar Antworten zu bekommen. Er beschäftigt sich mit seinem Essen, doch der Blick, mit dem er mich ansieht, ist verschleiert und ernst.
Ich schiebe meinen Stuhl zurück und stehe auf. »Gute Idee, Sophie. Ich könnte etwas frische Luft vertragen.«
Ich merke erst, dass es inzwischen Nacht geworden ist, als wir hinaus auf den Bohlenweg treten. Eine leichte Brise trägt den scharfen Geruch von Mesquiten und den zarten, süßen Duft nachtblühender Kakteen heran. Der Halbmond und ein wie mit Diamanten besetzter Himmel bilden einen friedvollen Kontrast zu dem Höllensturm, der uns erst vor ein paar Minuten dort drinnen zu verschlingen drohte.
»Es ist surreal, nicht wahr?«, bemerkt Sophie. Ich bin nicht sicher, was sie damit meint, den stillen Nachthimmel über der Wüste oder das Unwetter, das Burke uns entgegengeschleudert hat. Aber ich nicke trotzdem. Ihr Gesicht ist dem Himmel zugewandt. »In Denver sehe ich die Sterne nie so deutlich. Die Wüste ist so schön. Hier kann man sich noch denken hören.«
Die Ironie dieses Ausdrucks bringt mich zum Lächeln. »Du hörst dich doch immer denken, oder?«, frage ich – schließlich sind wir jetzt eine Familie.
»Ich meine, buchstäblich.«
Sie kichert. »Du meinst, dass ich immer Deveraux denken höre. Das ist nicht ganz dasselbe.«
»Wo ist er? Gerade jetzt, meine ich.«
Sie legt eine Hand auf die Brust. »Er ist hier. Er weiß, dass wir beide einiges zu besprechen haben. Er wird sich nicht einmischen.«
»Ist das nicht seltsam? Ein zweites Bewusstsein zu haben, ein eigenständiges Wesen, das doch ein Teil von dir ist?«
Der Blick, den sie mir zuwirft, ist halb belustigt, halb überrascht. »Du lebst auch mit den zwei unterschiedlichen Seiten deines Wesens. Du befindest dich in einem ständigen Kampf mit der Bestie, nicht wahr? Jedenfalls sind Deveraux und ich einander gar nicht so unähnlich, wie man glauben könnte. Ich kann mir vorstellen, dass es für mich sogar leichter ist als für dich. Seine Bestie ist gefangen. Es ist nichts von ihm übrig außer seinen Gedanken.« Sie lacht wieder. »So verstörend die auch manchmal sein mögen.«
Ihre schlichte, bittersüße Weisheit finde ich erstaunlich. Wie viel davon ist die Hexe und wie viel der Vampir?
Wir gehen schweigend weiter und genießen die Stille und den Frieden. Aber ich weiß, dass ich das Thema irgendwann ansprechen muss, also kann ich es ebenso gut gleich tun. »Wo ist sie, Sophie?«
Weder in Sophies Schritten noch in ihrer Antwort ist ein Zögern zu spüren. »Sie stellt keine Gefahr mehr dar.«
»Das beantwortet nicht meine Frage.« Meine Stimme klingt schärfer, als ich beabsichtigt hatte.
Sophie holt tief Luft. »Als ich ihren Zauber gebrochen habe, musste die böse Energie dieser Magie irgendwohin. Ich habe sie in dem Kelch eingefangen.«
Ich
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