Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
sind ebenso nervtötend wie praktisch frei von nützlicher Information. Aber Frey strahlt eine stille Resignation aus, die mich davon abhält, ihn weiter zu bedrängen. Zumindest vorerst. Aber später, wenn David in Sicherheit ist und ich mein kleines Problem gelöst habe... Dann ist das etwas anderes. Dann werde ich dieser Sache nachgehen, und wenn ich die Antworten aus ihm herausprügeln muss. Aber eines will das Miststück in mir unbedingt noch wissen. Und zwar sofort.
»Weiß Layla von ihm?«
Er sieht mich an und stößt gereizt den Atem aus. Er kann meine Gedanken zwar nicht lesen, aber er kennt mich gut genug, um zu vermuten, warum ich danach frage. »Nein.«
»Ist das die Wahrheit?«
»Du glaubst, ich lüge?« Ich erkenne an seinen abwehrend gespannten Schultern, dass ich jetzt nicht mehr aus ihm herausbekommen werde. Das ist in Ordnung. Die Befriedigung, die ich empfinde, weil ich etwas über Laylas Liebhaber weiß, dass sie nicht weiß, ist kindisch, aber sehr angenehm.
Er seufzt erneut. »Können wir jetzt zur eigentlichen Sache kommen?«
»Sicher. Woher genau hast du dieses Buch?« Frey erzählt mir die Geschichte. Vor zwei Tagen wurde ihm von UPS eine Kiste Bücher geliefert. Er gibt zu, dass er nicht darauf geachtet hat, ob eine Rücksendeadresse vermerkt war. Er hätte sich auch bei UPS nach dem Absender erkundigen können, aber er war gar nicht auf die Idee gekommen. Manchmal, so erklärt er mir, ist es den Angehörigen peinlich, wenn sie unter den Sachen ihres verstorbenen Verwandten Bücher über okkulte Themen finden. Oft ist die Kiste, die Frey dann erhält, auch bereits vom Verstorbenen verschlossen und adressiert worden. Meistens verschickt die Person, der die Bücher gehören, sie sogar selbst an Frey, wenn er oder sie den nahenden Tod spürt.
Frey schließt mit den Worten: »Das kommt zwei, dreimal pro Jahr vor, also wundere ich mich nicht mehr darüber. Ich bin dankbar dafür, denn sonst würden die schriftlichen Aufzeichnungen der übernatürlichen Gemeinschaft einfach verloren gehen.«
»Aber du fandest diesen Zufall nicht ein bisschen seltsam?«, frage ich nach. »Ein Buch, das zufällig genau das Wissen enthält, nach dem wir gesucht haben? Ein Buch, das genau beschreibt, wer die Auserwählte ist und was an einem bestimmten Datum geschehen wird? Woher willst du wissen, dass dein Grimoire keine Fälschung ist?«
»Es ist keine Fälschung«, beharrt Frey.
»Wenn Judith Williams etwas damit zu tun hatte, dass du es in die Finger bekommen hast, wie kannst du dann so sicher sein?«
»Ich weiß es eben, okay? Ich prüfe die Authentizität solcher Bücher schon seit dreißig Jahren. Dieses Buch ist keine Fälschung. Dass es von Williams stammt, sollte dich eher noch davon überzeugen. Er hat das Buch wahrscheinlich von Avery. Avery war ein vierhundert Jahre alter Vampir. Da wäre es nicht ungewöhnlich, dass er ein solches Buch besitzt. Hast du mir nicht erzählt, dass er eine ganze Schatzkammer uralter Artefakte in seinem Keller hatte?«
Ich presse mir die Handflächen auf die Augen. In diesem Keller waren mehr als Artefakte. Meine schlimmsten Alpträume sind damit verbunden – erst habe ich David beinahe tot dort gefunden, und später musste ich zusehen, wie eine Gestaltwandlerin namens Sandra mit Averys rachsüchtiger Seele kämpfte, die Sandras Körper übernommen hatte, um mich zu töten. Schließt sich hier der Kreis? Wird David wieder in diesem Keller gefangen gehalten? Ich habe zwei Gelegenheiten verstreichen lassen, ohne es zu tun.
Diesmal werde ich es tun. Diesmal werde ich dieses verfluchte Haus bis auf die Grundmauern niederbrennen. Als ich zu Frey aufblicke, scheint er zu wissen, was ich denke und fühle. Seine Miene ist streng. »Wir können da nicht mit Kanonendonner einmarschieren.«
»Bin ich so leicht zu durchschauen? Oder hast du eine Möglichkeit gefunden, unsere unterbrochene Verbindung wiederherzustellen?«
Er schüttelt den Kopf. »Ich brauche nichts wiederherzustellen. Ich kenne dich. Es fällt mir nicht schwer, mir vorzustellen, was du jetzt gern tun würdest. Du hast die Angewohnheit, erst zu handeln und dich dann um den entstandenen Schaden zu kümmern. Das geht diesmal nicht. Ein Unschuldiger ist in Gefahr.«
Glaubt er etwa, das wüsste ich nicht? Ich stehe auf. »Wir sollten gehen.«
»Warte.« Frey erhebt sich ebenfalls, macht aber keinen Schritt in Richtung Tür. »Da steht noch etwas in dieser E-Mail. Hast du das vergessen? Judith Williams
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