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Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht

Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht

Titel: Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne C. Stein
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genug als seelischen Mülleimer.«
    »Es geht nicht um mich.« Er kommt hinter dem Frühstückstresen hervor und bleibt neben mir stehen. »Du machst dir sicher Gedanken darüber, was morgen Abend passieren wird. Möchtest du darüber reden?«
    »Reden wir nicht schon darüber, seit ich aus Frankreich zurückgekommen bin?« Er schwenkt den Wein in seinem Glas herum. Er antwortet mir nicht, aber das ist auch nicht nötig. Wir wissen beide, dass er nicht die Zeremonie gemeint hat.
    Ich trinke mein Glas mit einem langen Schluck beinahe leer, greife nach der Flasche und schenke mir nach. Ich muss warten, bis der Alkohol seine leichte Wärme verbreitet, ehe ich antworten kann. Diesmal will ich aufrichtig sein. Kein Quatsch mehr, kein mutiges Getue. Ich blicke auf in Freys wunderbares, nachdenkliches, besorgtes Gesicht, und auf einmal brennen mir Tränen in den Augen. Dämlich. Das passt nicht zu mir.
    Ich springe auf und versuche zu fliehen, aber er packt mich am Arm und lässt mich nicht weg. Ich lasse mich mit hämmerndem Herzen an seine Brust ziehen und spüre, dass auch sein Herzschlag rast. Seine Arme schließen sich um mich. »Sag es mir.«
    Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Nach allem, was passiert ist, verstehe ich nicht, warum ich in diesem Augenblick mehr Angst empfinde als je zuvor. Ich habe schon zu viel verloren. Ich darf nicht noch mehr verlieren. Gefühle schwappen in mir hoch wie eine Flutwelle. »Sag es mir«, drängt Frey mich sacht.
    Ich kneife die Augen zusammen, um den Mut dazu zu finden. Ich schlinge die Arme um seine Taille und halte mich an ihm fest, damit er mir die Hoffnungslosigkeit nicht am Gesicht ansehen kann. »Ich habe Angst.«
    »Weiter.«
    »Ich habe mich ein Jahr lang gegen die bloße Möglichkeit gesperrt, dass ich irgendeine Art mystische Bestimmung haben könnte. Aber hier stehe ich nun, nur ein paar Stunden vor einem übernatürlichen Showdown. Was, wenn ich nicht die bin, für die alle mich halten? Ich werde für etwas sterben, worum ich nicht gebeten habe. Für etwas, das ich gar nicht will. Das ist nicht fair. Ich bemühe mich jeden Tag, wie ein Mensch zu existieren. Wenn ich sterbe, wird sich niemand daran erinnern, dass es mich je gegeben hat. Meine Eltern werden mich nicht einmal begraben können. David wird glauben, ich hätte ihn wieder mal im Stich gelassen. Ich werde einfach nicht mehr existieren. Und niemand wird es wissen.«
    Freys Worte erreichen mich so zart wie der Atem eines Babys. »Du gehst von zu vielen Annahmen aus. Du gehst davon aus, dass du den Kampf verlieren wirst. Ich kenne dich, Anna. Wer dich herausfordert, ist ein Idiot. Du gibst nicht nach, und du gibst nie auf. Das liebe ich so an dir.« Er hebt die Hand und streicht mir übers Haar. »Ich glaube an Schicksal und Bestimmung. An deine Bestimmung. Selbst wenn du nicht daran glaubst. Und ich glaube, dass du siegen wirst und dass du eine Kraft des Guten auf dieser Welt sein wirst. Es steckt in dir, Anna.«
    Seine Stimme klingt auf einmal so rauh, dass mehr daraus spricht als Sorge. Das ist erschreckend und verwirrend. Ich wage nicht, mich zu rühren, wage es nicht, den Kopf zu heben und nachzuschauen, ob ich etwas falsch interpretiere, was nur der Versuch eines Freundes ist, mich zu beruhigen. Seine Arme halten mich immer noch fest. Wenn ich doch den Kopf heben würde, was würde dann passieren?
    Die Stimme der Vernunft schaltet sich ein. Das ist Frey. Laylas Frey. Nichts wird passieren. Ich hole tief Luft und versuche, seine Arme von mir wegzuschieben. »Tut mir leid. Ich weiß auch nicht, wo das auf einmal herkam.«
    Er lässt mich nicht gleich los. Er hält mich fest, bis sein klopfendes Herz langsamer schlägt. Der Rhythmus seines – und meines – Blutes beruhigt sich, kühlt ab. Einen Moment lang kann ich meine Angst unterdrücken. Der Moment vergeht. Er tritt zurück. »Wollen wir weitermachen?«
    Das Buch. Das gottverdammte Buch. »Warum nicht?«
    Frey ist gleich wieder konzentriert bei der Sache. Wir haben bisher das Wie und das Warum der Zeremonie durchgenommen. Aus der Perspektive des einundzwanzigsten Jahrhunderts sind große Teile des Buches schwer, wenn nicht unmöglich, zu verstehen. Es enthält auch historische Einzelheiten, die nicht relevant, aber interessant sind. Den Göttern ein Tier zu opfern, bevor man einen menschlichen Wirt blutleer trank, war zum Beispiel streng verboten. Tiere waren ein wertvolles Gut, Menschen bloß Futter.
    Frey liest mir einen Absatz vor, den er

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