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Anna und Anna (German Edition)

Anna und Anna (German Edition)

Titel: Anna und Anna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Inden
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habe. Und es das war. Für immer.
    Das macht mich wütend. Und traurig. Zu gleichen Teilen. Warum kann ich nicht wie Mary-Lou sein? Dann hätte ich gewusst, wie man küsst. Dann hätte ich dich geküsst. Und dann würdest du mich jetzt nicht vergessen.
     

     
    »Oma«, hat mich Anna gestern gefragt. »Erinnerst du dich noch an deinen ersten Kuss?«
    Und ob ich mich erinnere. Manche Bilder sind unscharf geworden im Laufe der Jahre, aber manche stehen mir noch so klar vor Augen, als seien sie erst gestern eingefangen worden.
    »Es war im Winter«, sage ich. »Es schneite. Und er hat mich einfach gepackt.«
    Anna sieht beeindruckt aus. »Wow«, murmelt sie. »Opa.«
    Ich sage ihr nicht, dass es nicht Opa war, der mich damals im Schnee küsste.
    Ich frage sie auch nicht: Willst du das aus einem besonderen Grund wissen, mein Schatz? Denn ich weiß ja, dass es so ist. Ich weiß auch, dass ihr nicht klar ist, wie leicht sie gerade zu durchschauen ist. Und dass es ihr peinlich wäre, wüsste sie es.
    Ich überlege, wie ich ihr trotzdem helfen kann. »Es gibt viele erste Küsse«, sage ich. »Für jede neue Liebe einen. Und das ist ganz in Ordnung so.«
    Annas Augen blitzen. »Aber wenn ich nur den Einen küssen will?«, fragt sie fast böse.
    Es scheint, meiner Anna gehen vor ihrem ersten Kuss ganz andere Dinge durch den Kopf als mir damals.
    Jetzt küsse ich sie. Genau dorthin, wo sich ihre glatte Stirn in Zornfalten legt. »Wenn du nur diesen Einen küssen willst, dann ist er wirklich ein glücklicher Mann.«
     

     
    Lieber Jan,
     
    du bist ein glücklicher Mann, sagt Oma.
    Warum siehst du das nicht?
    Und warum schreibst du mir nicht?
    Ich hasse dich.
     
    Anna
     

     
    Lieber Jan,
     
    ich nehme das zurück. Natürlich hasse ich dich nicht.
    Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt jemanden hassen könnte. Ich denke, ich hasse nichts und niemanden. Außer vielleicht Fenchel. Und nachträglich Hitler.
    Aber dich? Dich vermisse ich nur.
    Und ich fühle mich gar nicht hasserfüllt.
    Nur traurig.
    Sehr traurig.
     

     
    Lieber Henri,
     
    weißt du was? Meine Bella ist eine gute Mutter.
    Ich frage mich, von wem sie das hat.
    Heute saß sie im Wohnzimmer und arbeitete an ihren Entwürfen, als Anna hereinkam. Anna war unruhig. Sie ging zum Radio, schaltete es ein und schaltete es wieder aus, griff sich eine Zeitschrift und ließ sich damit in Bens Sessel fallen, blätterte in dem Heft herum, schlug es dann zu, warf den Kopf in den Nacken und schnaubte frustriert.
    Anna erinnert mich oft an ein junges Füllen, das nicht still stehen kann und die Nüstern überall hineinstecken muss. Genauso langbeinig, genauso lebenslustig ist sie. Und im Moment auch genauso unberechenbar.
    »Komm doch mal her«, sagte da Bella und klopfte neben sich auf die Sofapolster.
    Anna zog eine Schnute mit ihrem schönen Mund, gehorchte aber umgehend. Das heißt, die Schnute war nur Show, eigentlich fand sie es ganz nett, von ihrer Mutter gebeten zu werden. Sie ließ sich in die Kissen fallen.
    Bella schob ihrer Tochter den Skizzenblock hin. »Was meinst du?«, fragte sie.
    »Hübsch«, meinte Anna. Dann sah sie genauer hin. »Vor allem das Grüne«, erklärte sie. »So eins hätte ich auch gerne.«
    Bella strich Anna eine Locke aus der Stirn. »In Grün siehst du ja auch großartig aus.«
    Sie schwiegen.
    Ich war ganz atemlos auf meinem Beobachterposten am Küchentisch. Die Durchreiche zeigte mir genau den richtigen Ausschnitt des Mutter-Tochter-Schauspiels. Ich sah die beiden Blondschöpfe sich über die Zeichnung beugen. Anna schaute aufs Papier, Bella schaute auf Anna. Ich dachte: Bella weiß genau, wenn sie Anna auf Amsterdam anspricht, beißt Anna ihr wahrscheinlich den Kopf ab. Wird verlegen bis wütend. Aber wenn Bella ihre Tochter nicht anspricht, wird sie damit leben müssen, dass Anna im Moment Geheimnisse vor ihr hat.
    Bella zögerte. Vielleicht weil sie nicht weiterwusste, vielleicht aber auch, um ihrer Tochter zu zeigen, dass sie sich nicht aufdrängen wollte, griff sie nach einem gelben Buntstift.
    Ich hielt den Atem an.
    »Mama«, sagte da Anna, »hast du von Anfang an gewusst, dass du Papa heiraten willst?«
    Ich lächelte in meinen Kaffee.
    »Nein«, sagte Bella und ließ mit einem sehr erleichtert klingenden Aufseufzen ihren Stift sinken. »Aber Papa hat es gewusst. Jedenfalls behauptet er das.«
    Anna dachte eine Weile darüber nach. »Und wenn keiner von euch beiden es gewusst hätte, hätte es dann trotzdem klappen

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