Anna und Anna (German Edition)
nahm ihm den Prospekt aus der Hand. »Vierbettzimmer«, las sie vor. »Die Jungs im ersten Stock, die Mädchen im Dachgeschoss. Na, das ist nicht weit voneinander entfernt.«
»Lauter Teenager auf einem Haufen?«, sagte Ben grinsend. »Ja, da gibt es immer Streit.«
»Lauter Teenager auf einem Haufen!«, rief Bella. »Da verliebt sich immer irgendwer.«
»Mit Sicherheit«, bestätigte ich.
»Ja, aber unsere Anna …«, fing Bella wieder an und stoppte sich dann selbst.
Ben sah seine Frau mit hochgezogenen Brauen an.
»Unsere Anna soll sich auch verlieben«, murmelte sie. »Ich dachte nur immer, vielleicht erst später. Viel später.«
Ich sagte: »Es ist doch eh schon passiert.«
Ben öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
»Und Liebe kann so schön sein«, seufzte ich.
»Und so wehtun«, stöhnte Bella.
Ben fand seine Stimme wieder. »Da muss Anna durch«, erklärte er entschieden.
Wir wussten alle, dass er recht hat.
»Tja«, sagte Bella tapfer. »So ist das eben mit dem Erwachsenwerden.«
Ich glaube tatsächlich, ich hatte sogar etwas Mütterliches im Blick, als ich sie ansah. »Tja«, sagte ich, »und so ist das mit dem Erwachsensein.«
Ahoi, ihr Daheimgebliebenen!
Das auf der Karte ist unser Seeheim. Und unser Strand. Und unser Steg. Ja, der Himmel ist wirklich so blau. Wenn es nicht gerade regnet natürlich.
Wir sind aber bei jedem Wind und Wetter draußen. Vor allem bei Wind! Mit dem Einer-Laser bin ich schon ein halbes Dutzend Mal gekentert, aber so muss das sein, sagt Sven, unser Segellehrer. Erst wenn man weiß, dass man sein Schiff immer wieder aufrichten kann, verliert man die Angst davor, dass es umkippt. Sagt Sven.
Jan sagt Hoi.
Ich rufe bald wieder an, schreiben tu ich sowieso, hier geht die Post täglich raus.
Liebe Grüße!
Anna
Liebe Mama,
danke für das Fresspaket. Hat Oma dich zu den Schokoladenkeksen überredet? Sie sind spitzenmäßig angekommen, ich habe sie mit den anderen auf meinem Zimmer geteilt, das machen wir hier so.
Es ist nicht ganz gerecht, denn bis jetzt haben nur Sofie und ich Pakete gekriegt. Gut, Serafina auch, aber da war lauter ungenießbares Zeug drin. Sie hat allerdings zwischen all den Konserven und Gläsern noch einen Umschlag gefunden und darin steckte ein Fünfzig-Euro-Schein. »Davon lade ich euch auf ein Eis ein«, hat sie erklärt. Wenn sie das wirklich tut, ist das ja ausgesprochen nett.
Sarah hat weder Geld, noch kriegt sie Pakete. Sie kann sich also nicht dafür revanchieren, dass sie bei uns mitisst. Und sie isst viel. Sie fragt nie, wenn sie noch einen Keks aus der Packung nimmt, und sie guckt mich immer böse an, wenn ich ihr einen anbiete. Könnte sie nicht ein bisschen netter sein? Vor allem, weil man ihr doch etwas schenkt?
Jan sagt, es ist nicht leicht, nichts zu haben und trotzdem dankbar zu sein. Er ist immer freundlich zu Sarah. Ich weiß nicht, wie er das macht, aber ich versuche, es ihm gleichzutun.
Was noch? Nein, ich bin nicht krank. Ja, ich ziehe mich immer warm genug an. Und schlafen kann ich, wenn ich tot bin! Das sagt Oma immer.
Grüße auch an Benni und Papa.
Anna
Liebe Oma,
ich glaube, das hier ist das Paradies. Wenn ich nicht schon lange Pirat wäre, würde ich spätestens jetzt eine Karriere zur See in Erwägung ziehen.
Warum?
Nirgendwo fühle ich mich so lebendig wie auf dem Wasser, mit dem Wind in meinem Haar und dem Salz auf meiner Haut. Jeden Abend schlafen wir ein zu dem Nachtgesang der Boote, die sich auf dem Wasser wiegen und klingelnd an ihrer Vertäuung ziehen. Und wenn ich die Augen schließe, kann ich den nächsten Morgen kaum erwarten, der mich wieder aufs Meer hinaus bringt.
Meistens segeln wir jetzt zu zweit. Ich segele immer mit Jan. Er ist ganz braun gebrannt, seine Augen sehen noch blauer aus als sonst und seine Zähne noch weißer. Er ist inzwischen einen halben Kopf größer als ich und seine Hände sind so groß und so geschickt beim Segelsetzen, dass ich Herzklopfen kriege, wenn ich sie nur ansehe.
Wenn du dich nach Henri gesehnt hast, hattest du dann auch dieses Gefühl, dass du immer unbedingt in seiner Nähe sein musst? Dass du stirbst, wenn du nicht endlich seine Haare anfassen darfst?
Ich habe sie natürlich nicht angefasst und Jan hielt auch immer Abstand zu mir. Zumindest bis zu dem einen Tag, an dem Tom herüberkam und mich fragte: »So allein, schöne Frau? Das können wir ändern.«
Da hat Jan meine Hand genommen, gesagt: »Danke, kein
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