Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
grün, das andere braun.
„Sie nimmt meine Befehle wortwörtlich“, erklärte Anna. „Wenn du nicht aufgepasst hättest, wärest du jetzt platt wie die Goldmünzen der Grausamen.“
„Hör mir bloß auf mit dem Mist! Bin froh, dass ich da wegkommen konnte. Von so viel Raum und frischer Luft bin ich schon fast besoffen. Es fühlt sich zumindest so an“, lächelte er zurück.
„Ich dachte, ich bringe dir ein paar warme Klamotten mit. Es ist wirklich frisch hier oben.“ Sie sprang über die hohe Kante des Flugeimers auf die Erde. Mit Jeans, einer wetterfesten Jacke und dicken Socken in den Turnschuhen war sie gut für die nächtliche Frische oben auf dem Berg gerüstet. Sie warf ihm ein umfangreiches Bündel zu. „Hier, eine Jacke, Pullover, Socken und noch was da. Du musst sehen, was du haben willst.“
Ian zog sich schnell die warmen Sachen über. „Hast du etwas Essbares mit?“ Er blickte interessiert in den Korb, den Anna aus der Stupa zu heben versuchte. „Ich kann es nehmen“, sagte er, schwang ihn über den Rand des Flugeimers und stellte ihn vor ihren Füßen ab.
„Ich habe einiges dabei“, gab sie lächelnd zu. „Frisches Brot, Käse, heißen Tee.“
„Passt“, nickte er. „Dann verhungere ich heute nicht“, sagte er zufrieden.
Anna breitete ein weißes Tuch auf einer Picknickdecke aus, dann verteilte sie ihr Proviant aus dem Korb darauf. „Setz dich hin. Greif zu. Guten Appetit.“ Sie goss einen Becher Tee aus einer großen Thermosflasche ein und gab ihn Ian. „Das wird dich schnell wärmen. Eine besondere Mischung. Mit einem Schuss von Alphiras bestem Kräuterlikör.“
„Das riecht herrlich“, murmelte er mit vollem Mund. „Und das Essen schmeckt einfach fantastisch.“
„Nach all den Abenteuern ist es auch kein Wunder“, erwiderte sie und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. „Ich schätze, es ist schon länger her, dass du etwas zu essen bekommen hast.“
Ian konnte nur nicken. Er kaute energisch an seinem Brot, nahm einen Schluck Tee, der die Wärme bis in den kleinen Zeh brachte. Als er fertig war, sagte er: „Ich brauche wohl nicht zu fragen, woher du wusstest, dass ich hier bin.“
„Ich habe dich im Auge behalten“, gab Anna zu. „Und als du doch noch an die Dinge dachtest, die ich dir beigebracht hatte, schnappte ich die Stupa und flog hierher.
„Ich habe doch einen Schutz um meine Gedanken gestellt!“, seufzte er entrüstet.
„Richtig. Erst kam ich auch nicht rein. Aber später ließ er nach und ich konnte sehen, was Sache ist.“
Kapitel 30. Auf dem Hohen Berg.
Als sie nach dem Essen mit dem Aufräumen fertig waren, setze sich Anna auf die Decke, sah zu den Sternen hoch, zog genussvoll die frische Luft ein und seufzte: „Was für eine Nacht! So schön war es bei uns mal in der Oberwelt.“
Ian saß neben ihr und sah verträumt auf die Straße, die sich unten zwischen den Bergen schlängelte. „Von hier aus sieht es schon fast wie der Himmel aus: helle, flackernde Lichter auf dem dunkelblauen Hintergrund“, sagte er schließlich leise. „An solchen klaren Nächten war ich oft auf der Fensterbank in meinem Zimmer und habe die halbe Nacht lang in den Himmel geguckt. Aber so viele Sterne habe ich noch nie gesehen.“
„Guck, der Mond!“, rief Anna. Sie hatte sich umgedreht und zeigte in Richtung Osten.
Von hinter den zackigen Spitzen der schneebedeckten Berge ging eine leuchtende Sichel auf.
„Er wächst“, lächelte Ian. „Und er hat wieder dieses seltsame Licht drauf, als wenn jemand einen Krug Sahne über ihn geschüttet hatte.“
Etwas in seinem Gesicht kam Anna eigenartig vor. Sie musterte ihn aufmerksam und verlangte: „Erzähl!"
Er schüttelte den Kopf. „Nein, nichts.“ Sein Lächeln ließ aber einen schüchternen Jungen durchblicken.
Sie schubste ihn leicht in die Seite. „Jetzt bin ich neugierig. Was ist?“
„Ach, hör auf, das ist ja … Kinderkram“, winkte er ab.
„Glaube ich gar nicht!“ Die junge Frau musterte ihn neugierig. „Und selbst wenn, will ich es wissen.“
Ian grinste. „Na gut. Aber nur weil du es bist.“
„Einverstanden.“
„Als ich klein war, dachte ich oft, wenn ich groß bin, dann fliege ich so hoch wie der Mond, setze mich auf den unteren Teil von der Sichel, schaukele dann darauf eine Runde und gucke von oben, was unten im Tal so los ist.“
„Ein schöner Traum“, nickte Anna. „Als ich klein war, fand ich es toll, den klaren nächtlichen Himmel von unten zu sehen. Und dass die
Weitere Kostenlose Bücher