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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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hinzu.
    „Dann ist es höchste Zeit, dass du uns daran teilhaben lässt.“ Anna rutsche ungeduldig auf ihrem Platz. „Denk einfach an die Bilder, die du gesehen hast und öffne für uns deine Gedanken. Wir werden sie dann sehen.“
    „Gut. Also dann.“
     
    Ein geräumiges Zimmer mit hohen Decken und einem imposanten Kamin rechts vom Eingang machte sich vor ihnen auf. Mächtiges, blaues Feuer loderte in seinem Schlund und erhellte den ganzen Raum. Die hohen Flammen reichten bis zur Kamindecke, schnalzten hin und wieder und verbreiteten angenehme Wärme. Sie spiegelten sich in bogenartigen, hohen, dunklen Fenstern und auf dem hellen, frisch gewachsten Stäbchenparkett.
    Ein Kind mit rotblonden Locken, etwa fünf Jahre alt, spielte mit dem kleinen Drachen auf dem dicken, flauschigen Teppich vor dem Kamin. Er sprang von den Knien des Jungen auf seine Schulter, von dort auf den Kopf und wieder auf den Teppich, lief zu seinen Füßen, kitzelte die zarte Haut am Bein, das sich zwischen der Socke und der Hose freigemacht hatte. Der Junge lächelte, schnappte die kleine Figur, setzte sie auf seine kleine Handfläche und guckte sie aufmerksam an. Die Augen des kleinen Drachen funkelten leicht Rosa. Das Kind warf ihn hoch. Er drehte eine Runde und landete auf seinen Locken. Der Junge lachte auf, schnappte ihn, warf ihn wieder hoch und das Spiel fing von vorne an.
    Eine hochgewachsene Frau im reifen Alter mit einer großen Gießkanne in der Hand betrat das Zimmer. Das graue Haar, im Nacken zu einem Dutt festgebunden, legte ihr Gesicht mit hoher Stirn und kräftigen Zügen frei. Sie trug ein knöchellanges, dunkelblaues Kleid mit hellen, kleinen Blumenmustern und eine gestärkte, weiße Schürze. Die Frau lächelte dem Jungen zu, ihre Augen leuchteten dabei fröhlich auf. Sie wuschelte im Vorbeigehen seine wilden Locken auf und eilte weiter.
    Auf den breiten Fensterbänken drückten sich die Blumenkästen und Töpfe dicht aneinander. Üppige Pflanzen rankten sich an den dünnen Strängen zu den Fensterbögen hoch. Manche Blüten, so groß wie Suppenteller in tiefem Rot, Orange, Violett und Weiß neigten sich tief unter eigenem Gewicht. Einige waren niedlich klein, die gab es aber zu Dutzenden. Sie schlossen sich zu riesigen Gebilden zusammen und beeindruckten mit ihrer Größe, leuchtendem Gelb und zartem Rosa. Als die Frau sich den Blumen näherte, verneigten sie die Köpfe vor ihr zu Begrüßung und flüsterten aufgeregt.
    Sie ging von einem Fenster zum anderen, goss Wasser in die Kästen und Töpfe, und nahm die alten Blüten und verwelkten Blätter ab. Die Blumen streckten ihre Zweige ihr entgegen und leuchteten kurz auf, als sie die Hände der Frau berührten, einige Knospen gingen sofort auf. Alle Pflanzen erzählten etwas. Sie freuten sich, sie wieder zu sehen, flüsterten ihr ihren Dank zu und beeilten sich, die Neuigkeiten, die sich im Laufe des Tages zusammengetragen hatten, mit ihr zu teilen. Es hörte sich wie ein pausenloses aufgeregtes Gemurmel an, eine seltsame Mischung aus hohen und tiefen Flüsterstimmen. Die Frau leerte ihre Gießkanne und verschwand damit hinter dem Kamin.
    Eine junge hübsche Frau mit langem rotem Haar lief ins Zimmer herein. Sie brachte den Duft vom frischen, würzen Gebäck mit. Die Anklänge von Zimt, Orange, Vanille, Honig und Ingwer vermischten sich zu einem verführerischen Bouquet. Ihr hübsches, mit Sommersprossen übersätes Gesicht erstrahlte, als sie den Jungen sah. Sie hob ihn vom Teppich hoch, drückte fest an sich und tänzelte mit ihm einige Schritte durch den Raum. Der Junge lachte. Die Frau küsste ihn auf sein rosa Bäckchen, setzte ihn auf den Teppich zurück und verließ das Zimmer. Sogleich schwebte eine Melodie in der Luft. Eine Sopranstimme von einer ungewöhnlichen Schönheit und Kraft sang ein altes Weihnachtslied.
    Plötzlich ging eine Tür am hinteren Ende des Kaminzimmers auf und eine kleine Frau in Schwarz schlich herein. Sie guckte sich hastig um. Außer dem Jungen schien keiner da zu sein. Sie schnappte ihn, zog auf den ausgestreckten Armen hoch und blickte direkt in seine erschrockenen Augen.
    Das Kind erstarrte in ihren kräftigen Händen und ließ den Drachen auf den Boden fallen. Die knochigen Finger der Frau bohrten sich in seine Rippen.
    „Eines Tages wirst du mir gehören, mein Kleiner“, zischte sie und ließ ihn grob auf den Teppich herunter, „wie alles andere in diesem Haus“, fügte sie mit einem selbstgefälligen Lächeln hinzu. Sie

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