Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
bewirken.“
„Prima“, strahlte Anna. „Dann ist die Oberwelt bald auf den Beinen.“
Scharta schaute sie abschätzig an. „Ich weiß nicht, ob ich mich deiner Naivität erfreuen oder es eher traurig finden soll. Um die Oberwelt wieder in Ordnung zu bringen, ist viel mehr von diesem Feuer und noch manch anderen Dingen nötig.“
„Es geht also in der ersten Linie um Drachen.“ Ihre Worte klangen mehr wie eine Frage als eine Feststellung.
„Unter anderem“, gab die Schlange zu und blickte zurück ins Feuer. „Aber dein Gedankengang ist schon richtig. Sie können viel Feuer speien, besonders wenn sie im Mondlicht gebadet haben.“
„Ich habe gehört, dass die Drachen von einem Tag auf den anderen nicht mehr da waren und keiner sie je wieder gesehen hat.“
„So war es.“
„Und seitdem geht es der Oberwelt nicht so gut.“
„Das ist kaum zu übersehen.“
„Aber wenn es keine Drachen mehr gibt, wie soll ich sie …“, die Jungmagierin blickte suchend um sich.
„Wer sagt denn, dass es sie nicht mehr gibt?“ Ein Hauch Entrüstung klang in Schartas Stimme.
„Naja, das hat ein alter Faun mir mal erzählt“, murmelte Anna unsicher und schaute verlegen auf ihre Füße. „Er sagte, dass es einen mächtigen Anschlag gab. Schwarze Magie, sagte er, war es.“ Sie sah fragend auf.
Die Hüterin des Wissens schwieg.
„Jedenfalls gab es danach keine Drachen mehr in der Oberwelt, so hieß es.“
Die Schlange blickte ins bläuliche Feuer und beobachtete, wie die Flammen sich hoch zur Decke streckten.
„Heißt es, dass die Oberwelt keine Chance mehr hat? Habe ich mich zu früh gefreut?“ Die Augen der Jungmagierin füllten sich plötzlich mit Tränen. Sie drehte sich rasch weg. Ihre Schultern fingen an zu zittern.
Nach einer Weile spürte sie ein leichtes Tippen auf ihrem Arm. „In jedem Märchen gibt es einen Teil vom Märchen“, hörte sie leises Zischen der Schlange.
„Wie meinst du das?“ Die junge Frau blickte über die Schulter, in ihren geröteten Augen blitzte ein Hauch von Hoffnung auf.
„So wie ich es sage. Ein Teil ist ein Märchen ...“
„Welcher Teil ist es?“, unterbrach sie die Jungmagierin und wandte sich zu ihr um.
„Dass alle Drachen tot sind, zum Beispiel.“
„Oh!“, entwich es Anna und sie fuhr schnell mit dem Handrücken über ihre nassen Wangen. „Das wäre ja mal etwas, was weiter hilft. Aber wo sind sie denn hin?“
„Ich glaube, es ist besser, du beantwortest mir diese Frage.“
Sie blickte überrascht zurück. „Aber woher soll ich das wissen?“
„Vielleicht gibt es nicht mehr so viele, vielleicht nur einen oder zwei ...“, fuhr die Schlange fort. „Es kann sein, dass sie nicht in der Anderen Welt weilen. Aber du hast es selbst gesagt, was du nicht weißt, willst du herausfinden.“
„Ja, das habe ich“, gab Anna zu und wischte sich die Augen trocken mit der bloßen Hand ab. „Das werde ich auch, bloß wo soll ich anfangen?“
„Da kann dir jemand womöglich einen Tipp geben, der es besser weiß.“
Sie sah die Schlange verwirrt an.
„Es ist besser, du fragst ihn selbst“, riet Scharta und hob den kleinen Drachen aus der Fackel und stellte ihn auf den Boden.
Anna blickte fragend auf die rote Figur hinunter. Der kleine Drache war sauber und trocken, die Augen starrten ausdruckslos in die Leere. Auf einmal bemerkte sie, dass eine leichte Bewegung vom kleinen Tonkörper ausging und hielt den Atem an. Klar! Er hat sich bewegt! Sie kniete sich hinab, nahm ihn vorsichtig mit zwei Fingern auf, kam langsam wieder hoch, setzte ihn auf die offene Hand und hob diese dichter an ihre Augen. Plötzlich spürte sie ein leichtes Kratzen auf der Haut.
Der kleine Drache blinzelte und scharrte mit den Tatzen. Seine Augen blickten die junge Frau wach und neugierig an. Sie waren klar und funkelten leicht rosa, wie die kostbarsten Diamanten. Er schlug die Schwingen zu, reckte den Hals, bog ihn nach links und rechts, und ließ eine winzige bläuliche Flamme aus dem Maul aufsteigen. Dann legte er den Kopf schräg und sah sie fragend an.
„Jetzt weißt du, warum die Schwertvögel ihn haben wollten“, hörte Anna das leise Zischen der Schlange.
„Ob sie gewusst haben, dass er so schöne Augen hat?“ Sie sah fragend Scharta an.
„Gut möglich. Jeder dieser Drachen hatte solche Augen. Sie waren oft aus Edelsteinen: Rubinen, Smaragden oder Diamanten. Bei manchen waren sie aus Opalen, Lapislazuli oder Jade. Es kam stets auf die Familie an, zu der so ein
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