Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
rechtmäßiges Reich.“ Ein Hauch von Stolz hörte sich aus seiner Stimme heraus. „Aber es ist schon länger her.“
„Wie lange?“
„Ich weiß es nicht mehr so genau. Ich habe hier jedes Gefühl für die Zeit verloren“, antwortete er leise. „Damals, als die Drachen aus der Oberwelt weg waren, dauerte es nicht mehr lange, bis die heutige Herrscherin der Unterwelt die Macht an sich riss und mich und all meine Minister und Diener hierher abschob. Wie ich höre, hat sie jetzt auch die Oberwelt unter sich.“
„Ja“, sagte Ian und setzte sich. „Zum größten Teil.“
„Wer hätte das gedacht, dass es aus einem kleinen, verlorenen Mädchen so jemand wird.“ Der alte Herr ließ seinen Blick in die Dunkelheit schweifen.
„Und was hat es alles mit Drachen zu tun?“
„Nun, nachdem diese Frau sich die Unterwelt unter den Nagel gerissen hatte, wollte sie auch die Herrschaft über die ganze Andere Welt. Die Drachen waren diejenigen, die die Oberwelt vor allen Gefahren schützten. Sie waren zahlreich, erfahren in Kriegsführung und mächtig als eine Einheit, als Volk. Kaum etwas konnte sie bezwingen.
Diese Person fand aber, dass sie die Drachen oder zumindest deren Kraft haben sollte, um die Oberwelt sich ebenfalls unterwerfen zu können. Wenn die Drachen freiwillig auf ihre Seite gewechselt hätten, wäre es gegangen. Das taten sie aber nicht. Sie verstanden sich als ein Teil der Oberwelt. Schon allein das war Grund genug, sich nicht auf die Vorschläge dieser Person einzulassen. Sie fand aber auch eine andere Möglichkeit.
Hinterlist war ihr großer Helfer. Sie konnte ihr Ziel erreichen, wenn sie es fertigbrachte, alle Drachen auf einmal zu töten. Denn in diesem Fall wäre die Kraft des ganzen Drachengeschlechts auf einmal frei. Sie brauchte sie dann nur abzuschöpfen und für die Erfüllung ihrer Pläne einzuspannen.“ Der alte Mann lächelte. „Bloß nachdem ihr Fluch die Drachen erreicht hatte, schwebten nur die Seelen der Toten über den versteinerten Körpern. Die steckte sie dann in das Labyrinth weiter oben. Und das war es. Später begriff sie, dass sie nicht alle Drachen ausgelöscht hatte, dass es mindestens noch einen geben müsste. Deshalb kam deren Kraft nicht frei und sie konnte sie nicht bekommen. Nur ein einziger Nachfahre kann den Zugang zu dieser Kraft finden, sagt man.“
Ian schwieg. Seine Kopfschmerzen waren allmählich weg. Er atmete erleichtert aus. „Und du?“, fragte er schließlich. „Warst du wirklich früher der Herr der Unterwelt?“ Er musterte den dünnen, kleinen Mann.
„Ja. So war es. Aber die Unterwelt unter mir, sowie die Oberwelt unter Alphira waren etwas ganz anderes. Alles war früher anders.“ Seine Stimme klang wehmütig. „Es schien, dass nichts die gewohnte Ordnung brechen könnte.“
„Und dann kam die neue Herrscherin.“
„Damals hieß sie Greda. Ein zierliches, hübsches Mädchen mit traurigem Gesicht und abweisendem Blick der kühlen, schwarzen Augen. Sie kam zu mir eines Tages und blieb, lernte schnell die Dinge, die ich ihr beibrachte. Sie hatte ein gutes Händchen dafür. Später verstand ich warum.“ Der dünne Mann sank den Kopf, strich sich nervös über die Glatze, dann sah er wieder auf. „Ich habe sie damals aufgenommen, da ich dachte, sie käme einfach mit Alphira nicht klar. Schwieriges Alter und so weiter. Aber es war etwas ganz anderes, wie es sich später herausstellte“, seufzte er.
„Sie war früher bei Alphira?“, fragte Ian entrüstet.
Ein Stück weiter im Gang schlug plötzlich etwas stumpf auf die Umschläge auf.
„Aua!“, schrie eine bekannte Stimme auf. „Was für ein Mist! Mein Knie! Aua!“ Es raschelte. „Nicht zu fassen“, schimpfte sie weiter. „Mein Kopf springt gleich in Tausende Stücke! Und so stickig hier! Ich kriege jetzt schon keine Luft. Scharta hatte recht. Das ist eine …”
„Komm her, du Schimpfspatz“, rief Ian und lief zu der Stelle, von der die Stimme herkam. „Ich habe noch einen Schluck vom Alphiras Wundermittel gegen die Kopfschmerzen.“
„Ian?“
„Ja, ich bin es“, lächelte er. „Ich habe hier Gesellschaft von einem netten Herrn, der sich als der alte Herr der Unterwelt bezeichnet. Komm hierher. Er erzählt gerade spannende Geschichten.“
„Du bist mir einer!“, schnaubte sie. „Ich eile hierher, um ihn aus den Klauen der Grausamen zu holen und er genießt hier die Zeit!“
„Nun, man macht, was man kann“, grinste Ian. „Seine Stories sind aber wirklich
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