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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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gleich besser.“
    „Allein wenn ich den leicht bewege, klopft es da drin wie verrückt, aber runterspringen, das wird ihm den Rest geben.“
    „Das wird er schon aushalten. Wenn du dort bleibst, wo du jetzt bist, wird es dir nicht besser gehen. Wenn du runterkommst, schon.“
    Ian seufzte und löste sich von der Kante ab. Wider Erwartung, dass er eine Ewigkeit lang fällt, landete er gleich mit den beiden Füßen auf steinernem Boden. Ein schwaches Licht einige Schritte weiter am Ende des Ganges rettete den Raum von der vollkommenen Finsternis. Rechts, links, hinter und vor ihm sah er etwa zwei Meter hohe Regale voll mit dicken, bücherähnlichen Umschlägen. Ein bis zu den Knochen ausgemergelter, nach vorne gebeugter Mann, der ihm kaum bis zur Schulter reichte, stand vor ihm. Sein kahler Kopf sah aus, als wenn man einen Totenschädel mit der schlaffen, fahlen Haut überzogen hatte. Das schmale, vogelartige Gesicht mit einer großen, krummen Nase war zur Hälfte unter dem weißen, dünnen, fast bis zu den Knien hängenden Bart versteckt. Die tief sitzenden Augen musterten ihn neugierig. Der schmale Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln, das offenbarte, dass er nur wenige Zähne hatte, die schief hier und dort aus dem Unterkiefer ragten.
    „Willkommen auf der vierten Ebene der Unterwelt“, hörte Ian seine krächzende Stimme. „Und keine Sorge, ich bin nicht so schrecklich, wie ich aussehe.“ Er nahm ein rundes Fläschchen aus der Tasche seiner langen, schwarzen Robe, die an seinem schmalen Körper in mehreren Falten herabhing, und schraubte es auf. Ein leichter Duft nach Lavendel, Honig und Zimt verbreitete sich in der abgestandenen Luft.
    „Da.“ Er streckte seine Hand Ian entgegen. „Nimm einen Schluck.“
    Der junge Mann zögerte. Er starrte den seltsamen Mann an und tat gar nichts.
    „Na los, das ist ein gutes Zeug“, sagte er zuversichtlich und machte einen Schritt auf ihn zu. „Alphira hat es gebraut.“
    „Alphira?“ Ian konnte seine Überraschung kaum verstecken. „Und wie kommst du daran?“
    „Die Hüterin des Wissens hat es mir mal mitgebracht. Sie weiß, dass ich hier unten unter Kopfschmerzen leide.“
    „Du kennst Scharta?“ Ians Brauen zogen sich nach oben. Er musterte neugierig den alten Mann.
    „Sie kommt mich hin und wieder besuchen“, gab der alte Herr lächelnd zu.
    Die nächste Salve von Schmerzen durchbohrte sein Gehirn. Ian nahm das Fläschchen aus der knochigen Hand und schluckte etwas von der nach Kräutern und Honig schmeckenden Flüssigkeit. Sie brannte sogleich ihren Weg in den Magen herunter und verbreitete angenehme Wärme. Er schloss die Augen und atmete erleichtert aus. Es pochte nicht mehr so stark unter seinem Schädel. Er nahm einen weiteren Schluck.
    „Komm, ein Stück weiter, da habe ich ein Plätzchen, wo man es sich bequemer machen kann“, sagte der dünne Mann und eilte dorthin, wo das Licht flackerte.
    Ian folgte ihm.
    „Setz dich.“ Er zeigte auf einen Stapel von ledernen Hüllen und ließ sich auf eine ähnliche Sitzgelegenheit ihm gegenüber nieder. Eine kleine Lampe mit schwachem Feuer, das an den Spitzen etwas bläulich schimmerte, stand dazwischen.
    „Gutes Zeug.“ Ian streckte die Hand mit dem Fläschchen dem Mann entgegen. „Die Kopfschmerzen lassen in der Tat nach.“ Seine Wangen bekamen etwas Farbe.
    „Behalte es.“ Er gab ihm den Verschlusskorken. „Ich habe noch welche da. Ohne wäre ich schon längst hier eingegangen.“
    Ian schloss es zu und verstaute es in seiner Tasche. „Was machst du hier?“, fragte er und ließ seinen Blick über die endlosen Regale mit den Umschlägen schweifen.
    „Ich friste hier mein Dasein“, antwortete der alte Herr traurig lächelnd. „Hier ist jetzt mein Reich.“
    „Was ist es? Sind es Bücher?“
    „Nicht ganz.“ Er bewegte leicht seinen Kopf von links nach rechts und seufzte. „Diese Hüllen bergen meine ehemaligen Untergebenen. Diejenigen, die noch etwas sind. Leider haben manche das raue Dasein hier nicht überlebt. Ihre Hüllen sind nun leer und jetzt dienen sie als Sitze.“
    „Deine Untergebenen?“ Ian stand sofort auf.
    „Keine Sorge, mein Junge. Diese sind schon lange tot. Nur die Hüllen sind geblieben, wo sie früher drin steckten. Ihre Seelen sind schon längst ganz woanders.“ Er seufzte erneut, blickte auf den Stapel hinter Ian und schwieg bedächtig. „Ich hatte früher viele Untergebenen“, fuhr er nach einer Weile fort. „Die ganze Unterwelt war mein

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