Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
seine Seele auf ihre endlose Reise mit.“
„Sie töten?“ Anna stockte der Atem.
„So heißt es in der Überlieferung.“ Die Schlange und schielte aus den Augenwinkeln auf das Buch des Wissens.
„Aber warum?“
„Wer weiß? Ob sie sich durch den Fluch der Grausamen zum Bösen gewandt haben oder durch die Verbitterung über ihr Schicksal, oder sie tun es aus einem ganz anderen Grund? Nicht viele Besucher, die dorthin wohl oder übel geraten sind, sind wieder zurückgekehrt. Besser gesagt, kaum jemand.“
„Das ist ja ein Ding …”
„Jedenfalls, seit der verfluchten Nacht huschen die Drachenseelen unentwegt wie eine silbern schimmernde Masse durch die endlosen Gänge des Labyrinthes in der Unterwelt. Zudem wird auch sagt, dass man die Drachenseelen nicht berühren und sich nicht von ihnen berühren lassen sollte. Sonst übergeht ihr Fluch auf denjenigen, der es gewagt hat. Dann bleibt sein Körper daliegen und die Seele folgt ihnen in aller Ewigkeit, ohne zu wissen, wer man ist, wer er mal war und warum man sich dieser ziellosen Wanderung angeschlossen hat.“
„Unterwelt hast du gesagt?“
„Ja, das Labyrinth der Drachenseelen gehört zu der Unterwelt. Das ist ihre erste Ebene.“
„Oh“, entwich es der Jungmagierin. Ehrfurcht spiegelte sich auf ihrem Gesicht.
„Was ist?“ Scharta sah sie aufmerksam an. „Angst bekommen?“
„Nein, nicht wirklich“, lächelte sie unsicher. „Ich muss nur an das eine Mal denken, als Alphira mir etwas über die Unterwelt erzählte. Sie sprach sonst nie über so etwas. Ich wusste bis dahin nicht, dass es die Unterwelt überhaupt gab. Oma wirkte recht bedrückt dabei. Sie war so besorgt und auf einmal so … echt. Ihre übliche Maske, hinter der sie vieles verborgen hatte, Pokerface, wie ich es insgeheim nannte, war auf einmal weg. Und ich sah, dass sie damit nicht wirklich umzugehen wusste.“
„Und was war das, was sie zu dir sagte?“ Scharta klang überrascht.
„Ich weiß nicht mehr die genaue Wortwahl. Aber der Sinn ihrer Aussage ließ mich staunen. Es hörte sich so an, dass sie die Unterwelt sozusagen bewunderte. Weil sie so ganz anders, so ungewöhnlich und vielschichtig, mit so viel Verstand und Können aufgebaut wäre. Ich hatte den Eindruck, dass dieses Werk bei Alphira eine aufrichtige Anerkennung fand, obwohl sie keineswegs die Idee dahinter und alles drum herum für gut gehalten hatte.“
Die Schlange wiegte ihren Kopf langsam von links nach rechts und schwieg.
„Jetzt habe ich dir was erzählt …“
„Es ist in Ordnung“, sagte die Hüterin des Wissens schließlich. „Du musst nicht alles für dich behalten. Es tut gut, manchmal über gewisse Dinge zu reden.“
Die junge Frau nickte.
„Du weißt jetzt aber über das Labyrinth Bescheid. Die Grausame schickt dorthin gerne ihre Gegner.“
„Gibt es dort keinen Ausgang?“
„Doch, natürlich gibt es den. Sogar mehrere. Das Schwerste ist wohl, den Richtigen zu finden.“
„Mehrere Ausgänge?“ Anna blickte verwirrt. „Das macht das Ganze etwas komplizierter. Und welcher soll der Richtige sein?“
„Gute Frage“, nickte die Schlange. „Einer führt zum Schloss der Grausamen und ein anderer mündet in die Gänge, die du nimmst, wenn du von Alphiras Haus zu mir kommst. Sie alle sehen gleich aus.“
„Was? Der Tunnel ist mit dem Labyrinth der Drachenseelen verbunden?“
„Du hast ihn bisher gebraucht, um zu mir zu kommen. Er ist aber nur ein kleiner Abschnitt davon. Der Tunnel an sich ist weitverzweigt und viel größer als du es dir vorstellen kannst.“
Anna eilte zum Ausgang. „Wichtig ist also, den richtigen Ausgang zu finden“, sagte sie, als ob sie zu sich sprach. Sie drehte sich kurz nochmals um.
„Das Beste wäre, erst gar nicht im Labyrinth zu landen. Also pass auf dich auf.“
Die Jungmagierin nickte. „Ich werde mir Mühe geben“, versprach sie lächelnd und verschwand in der Dunkelheit des Tunnels.
Kapitel 18. Nichts wie weg.
Mit einem Ruck kam er zu sich. Das Blut pochte in seinen Ohren. Er hörte eine Weile dem eigenen schnellen Atem zu, dann setzte er sich langsam auf und ließ den Blick über die vermoosten Wände und feuchte Decke schweifen. Ein dicker Tropfen fiel ihm auf die Stirn. Ein plötzlicher Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Was, wenn ich nie wieder hier rauskomme? . Dann sehe ich bald aus wie die stinkenden Knochen im Kaminzimmer vom Alten Haus. Kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Weg von hier. An die frische Luft, mehr Raum,
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