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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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verlieren. Behutsam löste ich unsere Verbindung und sah sie prüfend an. Was war, wenn das alles doch nur ein wunderschöner Traum war, wenn ihre Verliebtheit demnächst verfliegen würde?
    „Bist Du Dir sicher? … dass Du das alles wirklich möchtest? … uns möchtest? Du bist erst siebzehn Jahre alt. Ein ganzes Leben wartet auf Dich. Unzählige wunderbare Jungs und Männer werden sich um Dich reißen. Möchtest Du wirklich mit einem alten Mann zusammen sein, der noch dazu Dein Bruder ist?
    Ich meinte die Frage ernst. So sehr ich Annabell auch brauchte, wollte ich doch nicht ihr Leben auf eine Bahn bringen, auf die es nicht gehörte. Sie musste ihre Wahl frei treffen.
    „Ganz sicher.“
    Volle Überzeugung sprach aus ihren Augen. Doch schon schlich sich ein Schatten des Zweifels ein:
    „Bist Du Dir denn sicher? Meinst Du, wir passen zusammen? Willst Du wirklich mit Deiner Teenager-Schwester zusammen sein, die noch nicht einmal die High School abgeschlossen hat? Deinem Mündel?“
    „Ganz sicher.“
    Das war ich. Und wenn ich dafür alles verlieren würde. Ich würde keinen Tag länger ohne Annabell leben, wenn und solange sie mich wollte.
    Im Übrigen: Wo lag denn der Spaß ohne ein bisschen Risiko? Wir mussten es eben so anstellen, dass niemand Verdacht schöpfte, solange wir hier in South Port waren.
    „Ich liebe Dich, Annabell. Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich das aufrichtig zu einem Mädchen sagen.“
    „Ich liebe Dich, Ethan.“ Sie strahlte über das ganze Gesicht.
    Ich küsste sie abermals und schloss sie in meine Arme.
    Dabei fiel mein Blick auf etwas Buntes am Ende des Gartens.
    „Du kannst übrigens von Glück sagen, dass Du gestern Deinen Schal dort unten verloren hast. Wenn ich ihn nicht vom Wohnzimmer aus gesehen hätte, wäre ich nie auf die Idee gekommen, Dich auf dem Plateau zu suchen.“
    Annabell sah sich überrascht um und suchte die Stelle, auf die ich wies.
    „Den muss der Sturm dahin geweht haben. Ich hatte gar keinen Schal mit.“
    „Was für ein Zufall“, stellte ich fest und wunderte mich darüber.
    Annabell nahm meine Hand und wollte mich zu dem großen Bett führen.
    Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände und küsste sie lange, aber abschließend auf den Mund.
    „Meine Einstellung hat sich gegenüber gestern Abend nicht geändert, Annabell. Ich würde nichts lieber tun, als jetzt gleich mit Dir zu schlafen …“
    „Dann tu es doch … bitte … jetzt sofort. Ich will nicht länger warten.“
    „Annabell, wir müssen darüber sprechen. Du musst darüber nachdenken.“
    Wie sollte ich die unvermeidliche Diskussion beginnen?
      „Was sagt zum Beispiel die Heilige Schrift zu uns: ‚Die Scham deiner Schwester, einer Tochter deines Vaters oder einer Tochter deiner Mutter, darfst du nicht entblößen, sei sie im Haus oder außerhalb geboren.’ Levitikus 18, ich habe mich informiert. Was steht in den Gesetzen des Staates Massachusetts? Wenn wir miteinander schlafen, würden wir eine Straftat begehen.“
    „Nicht jedes Wort, das in der Bibel steht, kommt von Gott. Das sagt der Reverend selbst. Und vielleicht irrt sich an dieser Stelle auch das Gesetz. Wir lieben uns. Wenn uns diese Liebe geschenkt wird, wie kann es falsch sein, was wir wollen?“
    Mit Autoritäten konnte ich ihr also nicht kommen. Sie waren schon immer schwache Argumente gewesen.
    „Aber diese Gesetze, ob bei Moses oder in den General Laws haben doch einen Hintergrund.“
    „Es ist einfach ein Tabu. Deswegen gibt es die Gesetze. Oder die Gesetze machen es zum Tabu.“
    „Es ist unter anderem deswegen ein Tabu, weil eine natürliche Hemmung zwischen Geschwistern besteht.“
    „Aber bei uns gibt es doch diese Hemmung nicht.“
    „Nein, die gibt es nicht.“
    „Was stimmt denn nicht mit uns?“
    „Das frage ich mich selbst schon, seitdem ich weiß, dass Du meine Schwester bist.“
    „Halbschwester.“
    „Auch bei Halbgeschwistern sollte sie bestehen.“
    „Vielleicht liegt es ja wirklich daran, dass wir nicht zusammen aufgewachsen sind. Wir haben nie als Familie zusammengelebt.“
    „Vielleicht. Aber Du sprichst genau ein Argument für das Verbot einer sexuellen Beziehung zwischen uns an. Befürworter von Inzestverboten, die in der Rechtstheorie durchaus nicht unumstritten sind, tragen vor, dass durch derartige Beziehungen die Struktur der Familie als Keimzelle der Gesellschaft beschädigt werde, indem klare Rollenzuordnungen untergraben werden.“
    „Aber was ist, wenn beide es wollen, wie bei

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