Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See
beiden Frauen gaben keinen Laut von sich, „werden nun auf der Stelle, was auch immer sie an diesem PC da tun, unterbrechen. Dann werden Sie, Madam“ ich zeigte auf Schwester Munroe, „auf der Stelle den diensthabenden Arzt hier her zitieren. Da steht ein Telefon. Ich denke, Sie sind damit vertraut, wie man es benutzt. Ich erwarte ihn in spätestens fünf Minuten. Und Sie“, ich wandte mich an Schwester Florence Jannis, „werden mit mir die Formalitäten erledigen und ein Einzelzimmer mit Aussicht verfügbar machen. Die Krankenversicherungsdaten der Patientin lasse ich Ihnen umgehend zukommen. Ich bürge persönlich für alle entstehenden Kosten. Hier haben Sie meine Kreditkarte. Das sollte fürs Erste genügen.“
Zehn Minuten später schlurfte ein kleinwüchsiger Mann im Arztkittel über den Flur auf uns zu. Er hatte eine dunkle Hautfarbe, pechschwarzes Haar und Schnauzbart, und stammte vermutlich aus Indien oder Pakistan. Er musste geschlafen haben, denn sein Haar stand auf einer Seite unordentlich ab, und er sah nicht so aus, als wäre er besonders erfreut über die Störung seiner dienstlichen Nachtruhe.
„Darf man erfahren, was hier vorgeht?“, fragte er mürrisch in die Runde und deutete auf die Überreste der Spendensammlung.
„Dr. Patani, dieser Herr hier ist der Meinung …“, wollte sich Schwester Munroe ereifern, doch ich schnitt ihr das Wort ab.
„Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Ethan Meyers. Hier ist meine Karte.“
Er nahm sie und warf einen desinteressierten Blick darauf.
„Rechtsanwalt?“ Er richtete sich ein wenig gerader auf – vielleicht die Erinnerung an eine militärische Ausbildung – und beäugte mich misstrauisch. Was konnte ein Rechtsanwalt von ihm wollen? Um diese Zeit?
„Ich bin Dr. Rajif Patani, was kann ich für Sie tun?“
"Es geht um die junge Dame.“ Ich wies auf Annabell.
Dr. Patani ließ erleichtert die Schultern sinken: nur eine Patientin. Dafür die ganze Eile?
„Sie hat Fieber“, fuhr ich fort, „es besteht der Verdacht auf Lungenentzündung. Vor etwa einer Stunde wäre sie beinahe erstickt. Sie hat Blut gehustet – unter anderem. Ich erwarte und ich verlange, dass Sie sie auf der Stelle untersuchen und alles Notwendige veranlassen, damit ihr geholfen wird. Ich übergebe sie hiermit in die Obhut dieses Krankenhauses. Wenn ihr etwas zustößt, ziehe ich diese Einrichtung und Sie persönlich dafür zur Verantwortung. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“
Dr Patani zuckte resigniert mit den kümmerlichen Schultern. Er verzichtete darauf, sich mit mir anzulegen. Eine Auseinandersetzung würde ihn nur Energie kosten und die Zeit, bis er auf seine Liege zurückkehren konnte, unnötig in die Länge ziehen.
„Machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden uns Ihre … Tochter?“
„Schwester.“
„…Ihre Schwester ansehen. Wir helfen ihr, so gut wir können.“
Der Tonfall machte deutlich, dass ihm der Erfolg oder Misserfolg der Behandlung gleichgültig war. Dann ging er zu Annabell hinüber und bat sie, ihm zu folgen. Die Frage nach einer Krankenbahre verneinte sie und so schritten die beiden langsam von dannen, während ich zurückblieb und Schwester Jannis die notwendigen Daten zur Patientenerfassung gab.
Vierzig Minuten später fand ich Annabell in dem Untersuchungszimmer, das Schwester Jannis mir genannt hatte. Sie lag auf einer Liege und sah erschöpft aus. Als sie mich hereinkommen hörte, schlug sie die Augen auf.
„Na, mein Engel, was haben Sie mit Dir gemacht?“
„Der Doktor hat mich abgehört und eine Schwester hat Blut abgenommen. Dann haben sie Röntgenaufnahmen gemacht. Ich soll hier warten.“
„Dann warten wir nun zusammen“, sagte ich und nahm ihre fiebrige Hand. Sie machte die Augen wieder zu.
Wenig später kam Dr. Patani mit Röntgenaufnahmen herein, die er auf den Monitor heftete.
„Was haben Sie festgestellt, Doktor?“, fragte ich ihn.
„Ihre Schwester zeigt alle Symptome einer Lungenentzündung. Hier auf den Röntgenbildern kann man die entzündeten Teile der Lunge sehen. Sehen sie den dunklen Bereich?“
Er wies mit einem Stift auf das Röntgenbild.
„Das ist das normale Lungengewebe. Diese hellen Bereiche hier, da ist Gewebe durch die Entzündung verdichtet.“
Die Entzündung hatte einen großen Teil des rechten und einen kleineren Teil des linken Lungenflügels befallen.
„Fürs Erste“, fuhr Dr. Patani fort, „behalten wir Ihre Schwester hier. Wir verabreichen Antibiotika und überwachen
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