Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See
schmerzenden Kopf und sank wieder auf das Kissen hinunter.
Ich gab ihr eine der Tabletten mit einem Glas Wasser und stellte eine Kanne Kräutertee auf ihren Nachttisch. Als ich wieder nach unten gehen wollte, um sie wieder schlafen zu lassen, hielt sie mich zurück.
„Danke, dass Du Dich so um mich kümmerst, Ethan. Ich bin so froh, dass Du da bist.“
Sie sah so glücklich dabei aus, wie man angesichts der Krankheit wohl sein konnte, und mein Herz macht einen Sprung. Ich war dankbar, dass ich sie umsorgen konnte und ich wünschte mir, dass sie bald wieder gesund würde.
Bis zum Abend stieg das Fieber auf 39.8 Grad an. Die Nacht zog sich unruhig dahin. Annabell wurde von Fieberträumen heimgesucht, bei denen sie sich bald wild hin und her warf, bald gequält aufstöhnte. Dann wieder wurde sie von einem Hustenanfall geweckt. All das führte dazu, dass ich selbst kaum ein Auge zu tat.
Am Sonntagmorgen war das Fieber zwar auf 38,8 Grad gesunken. Eine wesentliche Besserung des Befindens meines Lieblings zeigte sich jedoch nicht und meines Wissens war es nicht ungewöhnlich, dass Fieber am Morgen zurückging und im Laufe des Tages wieder stieg.
Ich beschäftigte mich den Tag über damit, den Reverend, Onkel Charlton, Cathy und Jen telefonisch über Annabells Krankheit ins Bild zu setzen. Die beiden älteren Herren hatten jeweils eigene Vorschläge, welche Hausmittel am besten gegen das Fieber verabreicht werden sollten. Ich ließ sie allesamt unangewendet, da das Fieber ja gerade ein Mittel oder eine Folge der körpereigenen Abwehr gegen die Infektion oder was auch immer war, das Annabell befallen hatte. Als es allerdings am Abend bei 40,3 Grad stand, begann ich, mir ernstlich Sorgen zu machen und konnte es kaum abwarten, dass Dr Ramsey sie am Montag eingehend untersuchte. Da der Reverend den Vormittag über Termine hatte, hatte ich mit Onkel Charlton verabredet, dass dieser Annabell zum Arzt begleiten würde, während ich in Boston war.
„Es werden zwar ein paar Verhandlungstermine neu gelegt werden müssen, aber das wird Camille schon einrichten. Man muss Prioritäten setzen, mein Sohn“, war die Reaktion des Richters, als ich ihn schließlich bei einem Pokerabend erreichte. Angesichts seiner ausgelassenen Stimmung war ich mir nicht vollkommen sicher, ob er sich am Morgen noch an seine Zusage erinnern würde, aber ich würde Margery in der Früh mit Ms. Sunley alles Erforderliche abstimmen lassen.
Sicherlich hätten auch Cathy oder Jen sich um Annabell kümmern können, aber es war schon fraglich, ob die beiden ein Auto organisieren konnten und, wenn ich ehrlich war, hatte ich größeres Zutrauen in Onkel Charltons Fähigkeiten, seine Mitmenschen – und so auch Dr Ramsey – herumzukommandieren und die beste Behandlung für seine Großnichte herauszuholen, die Dr Ramsey zu bieten in der Lage war.
In der Nacht zu Sonntag jedoch wurde meine Planung einmal mehr über den Haufen geworfen. Ich hatte das Gefühl, eben erst wieder eingeschlafen zu sein, als ich gegen 3.00 Uhr morgens jäh aus dem Schlaf gerissen wurde. Annabell hustete und schlug mit einem Arm auf mich ein, um mich zu wecken.
„… keine Luft …“, keuchte sie und würgte und keuchte und wollte noch etwas sagen, doch sie fand keinen Atem.
Ich war eine kurze Schrecksekunde lang wie gelähmt. Annabells Gesichtsfarbe begann, sich zu verändern, nackte Panik stand in ihren Augen. Sie kämpfte um Sauerstoff.
Ich wusste nicht, wie ich ihr helfen sollte, und sah einen Augenblick – es kam mir vor wie eine Ewigkeit – gebannt zu, wie sie um Atem rang. Oh mein Gott, dachte ich. Sie erstickt. Mein kleiner Engel erstickt vor meinen Augen und ich kann nichts dagegen tun. Bis ein Krankenwagen hier ist, ist es schon zu spät. Ich dachte an Fernsehserien, in denen Leute, die medizinisch überhaupt nicht ausgebildet sind, ein Küchenmesser holen, es am Hals ansetzen, und einen Luftröhrenschnitt versuchen. Ich dachte krampfhaft nach, aber ich war mir nicht mehr sicher, wo die richtige Stelle war. Die Erinnerung an diese Bilder wollte einfach nicht kommen. Und Annabell erstickte vor meinen Augen.
Aber würde ihr ein Luftröhrenschnitt helfen, wenn das Problem in der Lunge lag? Ich hatte keinen Schimmer und fühlte mich vollkommen hilflos und überfordert. Lass sie nicht sterben, dachte ich. Bitte lass sie nicht sterben. Es war mir nicht bewusst, dass ich betete. Ich glaubte schließlich nicht an übernatürlichen Hokuspokus, geschweige denn an die Kraft
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