Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
Vom Netzwerk:
besitzen zu wollen, ist bei den meisten Menschen ein natürlicher Instinkt. Soll man natürliche Instinkte Ihrer Meinung nach unterdrücken?“
    „Es kommt sicherlich auf den einzelnen Fall an. Ich will auch nicht behaupten, es sei generell oder im Fall des Besitzstrebens notwendig zur Erlösung des Menschen im jenseitigen Leben, Instinkte zu unterdrücken. Ich behaupte lediglich, dass es das Los des einzelnen Menschen und das Zusammenleben in der Gesellschaft schon in diesem irdischen Leben glücklicher machen könnte, wenn der Mensch diesen oder jenen Instinkt kontrolliert, soweit besseres Wissen es ihm gebietet. Der Mensch in der westlichen Konsumgesellschaft bemisst seinen Wert leider sehr oft proportional zu seinem Besitz. Ich glaube es war Warren Buffett, der sehr weise angemerkt hat, dass seine eigene besondere Fähigkeit, Vermögen anzusammeln, ihm nichts genutzt hätte, wenn er vor mehreren Tausend Jahren gelebt hätte. Auf der Jagd nach Mammuts oder im Kampf mit einem Säbelzahn kommt es auf andere Fertigkeiten an. Ist es aber nicht absurd, sich nach den in einem konkreten historischen und sozialen Kontext benötigten Fähigkeiten zu bewerten oder bewerten zu lassen, sich überhaupt zu bewerten? Es mag tierischem Instinkt entsprechen, die Rangordnung im Rudel festzulegen. Ich verleugne nicht die reale Dimension von Macht, die aus der Umsetzung benötigter Fähigkeiten am Markt resultieren kann. Ich gebe lediglich zu bedenken, dass sich unsere Bewertung bestimmter Dinge und unsere innere Haltung zu ihnen ändern können, wenn wir den Betrachtungshorizont über unseren konkreten historisch-sozialen Kontext hinaus auf unser unsterbliches Leben ausdehnen.
    Wie ich schon sagte, habe ich festgestellt, dass man viele Dinge, die wir begehren oder die uns als begehrenswert verkauft werden, nicht braucht. Auch die vermeintlich bloße Schönheit mancher Objekte birgt die Gefahr, dass sie den Geist fesseln. Viele Begierden und Leidenschaften bringen kein Glück und das Streben nach den Mitteln, sie zu erfüllen, oft auch nicht. Manch einer begibt sich in unnötige Abhängigkeiten, macht sich unfrei in verschiedenster Hinsicht: vielleicht rechtlich, vielleicht tatsächlich, vielleicht emotional-geistig.
    Das, was unser Leben in dieser Welt nachhaltig glücklich macht, ist gratis zu haben. Das kommt uns lediglich so unwahrscheinlich vor, dass wir Mühe haben, es zu akzeptieren. Wir konzentrieren uns zumeist auf das, was wir nicht haben, und vergessen dabei, uns an dem zu erfreuen, was wir haben. Bis zu einem gewissen Grad muss das wohl auch so sein, denn sonst würden wir immer bei dem Erreichten verharren und unsere gottgegebenen Anlagen und Talente nie voll zur Entfaltung bringen, nie Höchstleistungen erbringen. Auszuwählen, wofür es sich zu brennen lohnt, und dann das rechte Maß zu finden, zwischen dem eifernden Streben und dem wertschätzenden Verharren, ist die Kunst.“
    „Außer in der Liebe. Dafür kann man wohl nicht genug brennen.“
    „Es kommt darauf an, von welcher Liebe Sie sprechen. Die menschliche Liebe ist im Grundsatz ein großartiges Geschenk, durch das wir Anteil nehmen an der unvergleichlich größeren Liebe unseres Schöpfers, die leidenschaftslos und uneigennützig das Gute für das Geschöpf will, die real ist, immer gegenwärtig, auch wenn wir sie nicht immer bewusst wahrnehmen. Wo sie uns anrührt, werden wir soziale Wesen, werden wir befreit aus der Enge des selbstbezogenen Luststrebens, sodass wir es sogar vermögen, frohen Herzens Leid in Kauf zu nehmen für das Wohl des anderen.
    Doch auch die Liebe zu einem Menschen oder einem anderen Teil der Schöpfung kann uns fesseln, wenn sie ichbezogen und übermäßig wird, zur Besessenheit pervertiert, den Geliebten oder das Geliebte zum Abgott macht. Denn nicht ein Mitmensch, ein beseeltes Geschöpf oder irgendein irdisches Ding ist das Ziel unseres Lebens, sondern Gott. Wenn wir auf Erden lieben um der Schönheit, Freundlichkeit oder Güte des Geliebten willen, so lieben wir nur einen Abglanz, eine Ähnlichkeit mit der absoluten Schönheit, Freundlichkeit und Güte, die Gott ist.
    Und wenn Sie irdische Schönheit suchen, Ethan, sehen Sie sich doch nur einmal in der Natur um – in dem, was davon übrig ist. Ist nicht das geringste Werk des Schöpfers so schön und faszinierend wie die besten Werke unserer Meisterschaft. Nehmen Sie die Majestät der Berge, die weiten Ebenen, den glitzernden Ozean. Wenn hier die kleinen Dinge, die zu

Weitere Kostenlose Bücher