Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See
Kopfkissen legt, war der Reverend gezwungen, klug zu investieren, wenn er dieser Inflation entgehen und ohne Aufzehrung des Vermögensstamms von dessen Früchten leben wollte, von denen ja wiederum der gierige Fiskus seinen Anteil forderte. Auch hier waren Leute wie Hawthorne, St.Clair und ich am Spiel beteiligt.
McCandle fuhr fort: „Ich habe den Kaufpreis angelegt und mich erst einmal aus dem sozialen Umfeld, in dem ich zu dem geworden war, was ich nicht mehr sein wollte, zurückgezogen – in meine winzige Hütte am Walden Pond sozusagen. Es ist schwierig, sich zu orientieren, wenn man sich so tief innerhalb unserer vergänglichen Strukturen bewegt, dass man das unvergängliche Firmament über uns nicht sehen kann.
Ich habe Philosophie und Theologie studiert, die Werke der Literatur gelesen, die als die größten gelten. Das alles war durchaus mühevoll. Es ging mir aber auch nicht darum, mich auf die faule Haut zu legen. Trägheit tut dem Menschen nicht gut. Geistige Herausforderungen und körperliche Bewegung sind der erste Schritt gegen Trübsinn und ich wollte meine Talente sinnvoll nutzen.
Das Studium eröffnete mir mehr Fragen, als es beantwortete und die Beschäftigung mit den fundamentalen Fragen der Menschheit ist in gewisser Weise weit anstrengender für den Verstand als die Geschäftsleitung eines Unternehmens. Wie ich schon einmal sagte, riskiert man dabei noch mehr, ihn zu verlieren.
Letztendlich wollte ich mich nicht dauerhaft verstecken. Ich wollte meinem Herrn bei den Menschen dienen. Ich glaube, der Mensch braucht den guten Kontakt zu anderen Menschen. Wie durch Zufall hat es mich nach South Port verschlagen und ich habe dieses Städtchen lieben gelernt. Ich fühle mich wohl hier. Ich habe gute Freunde gefunden, wie den Richter und Eugenie, Annabells Großmutter. Annabell ist wie eine Enkeltochter für mich. Eines Tages wird sie einen Teil des Vermögens bekommen. Aber es ist besser, wenn sie sich nicht darauf einrichtet, sondern erst einmal versucht, auf eigenen Beinen zu stehen. Viele Erben haben in Erwartung des Erbes ihre Talente verschwendet. Auf der anderen Seite verschwenden viele Leute, denen keine Erbschaft in Aussicht steht, ihre Talente mit dem Broterwerb.“
„Und es reizt sie nicht, sich von Zeit zu Zeit einmal etwas zu gönnen? Eine große Segeljacht zum Beispiel. Sie fahren doch öfter mit dem Richter zum Angeln.“
„Aber Charlton hat doch ein schönes Boot. Es reicht mir vollkommen aus, ab und an mit ihm zusammen hinauszufahren. Wozu brauche ich da noch ein größeres Boot, auf dem ich allein fahre?“
„Weil Sie es sich leisten können. Viele Leute, die es sich leisten können, haben Megajachten.“
„Soll ich Charlton und vor allem mir selbst damit weißmachen, dass ich größer bin als er? Erscheine ich nicht umso kleiner, je größer die Jacht ist, auf der ich stehe? Viele Leute haben diese Megajachten gar nicht des eigenen Vergnügens wegen, sondern um andere Jachteigner zu übertrumpfen.“
„Was soll schlecht daran sein, sich mit anderen zu messen?“
Diese Frage hätte ich einem Mann nicht stellen sollen, dessen Angewohnheit es zu sein schien, bei der geringsten Provokation eine einfache Antwort zu einem ausführlichen Vortrag aufzublähen:
„Es ist nicht zwangsläufig schlecht. Ein Wettkampf kann Freude machen, anspornen, Höchstleistungen hervorbringen. Doch ein Wettkampf braucht einen starken Charakter. Wenn wir uns mit anderen Menschen messen, können wir sehr leicht verlieren. Nehmen wir an, der andere ist in der maßgeblichen Hinsicht besser als wir. Dann sind wir frustriert, wenn wir nicht aufpassen und nachdenken.“
Ich musste an das Wettschwimmen mit Jason denken.
„Denn es kann sein“, fuhr der Reverend fort, „dass der andere gar nichts für seinen Vorzug getan hat – sagen wir er hat eine gerade Nase und unsere ist schief oder er hat ein angeborenes Talent für Golf und wir haben es nicht. In diesem Fall geraten wir in die Gefahr, zu vergessen, dass der Herr uns mit hübscheren Augen oder hellerem Verstand oder einem Talent für das Malen ausgestattet hat, dass er uns so geschaffen hat, dass wir – so wie wir uns entwickeln - einzigartig sind. Würde er uns anders schaffen, würde er einen anderen schaffen, nicht uns. Es mag aber auch sein, dass derjenige, mit dem wir uns vergleichen, sehr hart für seinen Vorteil gearbeitet oder gelitten hat. Sagen wir, er trainiert jeden Tag für ein besseres Handicap und wir trainieren selten, oder
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