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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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sein, dass die Uhr echt ist, noch dass sie dauerhaft funktioniert“, erläuterte er knapp. „Sie haben keine Papiere dabei.“
    Er machte sich nicht die Mühe, lange zu verhandeln oder mir die Vorteile, die dieses Arrangement für mich hatte aufzuzeigen. Er nannte schlicht sein Angebot und ich war mir sicher, er würde es nicht erhöhen.
    „Sie wissen genau, dass sie echt ist. Ich habe sie bei Van der Beeck gekauft.“
    „Noble Adresse“, schmunzelte er.
    Er bezweifelte nicht, dass sie echt war. Anderenfalls hätte er mir weit weniger geboten. Und er konnte sicher sein, dass ich das Geld brauchte. Denn sonst wäre ich nicht zu ihm gekommen.
    Ich akzeptierte seinen Preis. Wir unterzeichneten den Kreditvertrag und ich verließ das Leihhaus mit ein paar lumpigen Tausend Dollar in meiner Brieftasche.

71.      Kapitel

 
 
    Ich war betrunken, als ich am späten Nachmittag auf meinem Platz im Bus nach South Port hing. Wie viel Uhr es war, konnte ich nicht sagen. Nachdem der Porsche-Händler – vermutlich durch meinem Bankstatus alarmiert und von Hawthorne entsprechend instruiert – meine Zahlung nicht akzeptiert und mir eine Fortführung des Vertrags verweigert hatte, hatte man mir den Wagen unter der Androhung, die Polizei einzuschalten, abgenommen. Das hatte mir den Rest gegeben. Ich hatte weder den Nerv, zu Wakener zurückzugehen und meine Uhr herauszuverlangen, noch das Geld, ihm den Kreditbetrag samt der vertraglich vereinbarten Bearbeitungsgebühr zurückzuzahlen. Ich war gefallen – aus luftiger Höhe zu Boden gestürzt – von einer unbarmherzigen Hand in den Staub geschleudert – zerschmettert.
    So groß meine Freude und Erleichterung über Annabells Genesung gewesen waren, so selbstverständlich nahm ich diesen neuen Zustand inzwischen als gegeben hin. Innerhalb weniger Tage hatte ich verlernt, dieses wundersame Glück zu schätzen. Stattdessen konzentrierte ich mich auf meine gegenwärtigen Niederlagen und ertränkte mein Selbstmitleid in teurem Whiskey.
    Ich haderte mit meinem Schicksal. Wie konnte die Kraft, die mir Annabell ein zweites Mal geschenkt hatte, zulassen, dass es so mit mir bergab ging, dass ich eine solche Erniedrigung erdulden musste, wie am heutigen Tag. Ich hatte meine Arbeit verloren, meine Wohnung, meine Kreditwürdigkeit, meinen Status. Ich war pleite. Hausdiener lachten über mich, Geschäftspartner wollten entweder nichts mehr mit mir zu tun haben oder mir den letzten Cent aus der Tasche ziehen. Meine Freunde quittierten meine Lage mit gedankenlosem Desinteresse. Freunde? Schöne Freunde waren das.
    „Warum tust Du das?“, fragte ich das Unsichtbare. „Warum lässt Du zu, dass es mir so ergeht? Warum hilfst Du mir nicht? Du hast doch Annabell geholfen?“
    An der Haltestelle in South Port stieß mich eine alte Dame auf Geheiß des Busfahrers, dem ich zu Beginn der Fahrt glücklicherweise meinen Zielort genannt hatte, mit ihrem Gehstock an, damit ich aufwachte. Ich taumelte aus dem Bus, stolperte über einen Bordstein und schlug der Länge nach hin.
    Zwei Passanten, ein älterer Herr und ein Junge im Teenageralter, halfen mir wieder auf die Beine. Ohne ein Wort des Dankes stakste ich weiter und wunk ein Taxi heran. Der Fahrer musterte mich mit skeptischem Blick. Er war sich offenbar nicht sicher, ob er jemanden wie mich befördern sollte. Als er den Fahrpreis vorab verlangte, musste ich feststellen, dass man mich im Bus um meine Brieftasche mit dem vollen Kreditbetrag erleichtert hatte. Es war einfach nicht mein Tag.
    Das Taxi fuhr mit einem anderen Passagier davon und ich torkelte ziellos durch die Stadt. Auf den Treppenstufen eines Wohnhauses ließ ich mich erschöpft nieder. Mir war übel, verdammt übel.
    Nachdem ich mich in ein Blumenbeet übergeben hatte, lehnte ich mich seitlich an das Treppengeländer und schlief ein.
    Als Reverend McCandle mich am späten Abend schlafend auf seiner Treppe vorfand, muss ich ein erschreckendes Bild dargeboten haben.
    „Großer Gott, Ethan. Was ist denn Ihnen passiert?“
    Er half mir hoch, stützte mich auf dem Weg ins Wohnzimmer und setzte mich in dem Sessel ab, in dem ich schon einmal gesessen hatte. Als ich an mir hinuntersah, stellte ich fest, dass mein Hemd mit Speichel und Erbrochenem verziert war. Meine Hände waren von dem Sturz aufgeschürft, die Knie meiner Hose schmutzig und an einer Stelle zerrissen. Was war nur von dem strahlenden Helden geblieben, der einst in die Schlacht um Magnon gezogen war?
    McCandle machte

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