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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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sollte ich machen?
    Als ich bei meinem Wagen ankam und den Strafzettel wegen Falschparkens zerknüllt auf den Boden warf, hatte ich den Entschluss gefasst, die Sache bei Porsche direkt anzugehen. Ich würde verhandeln. Das war Teil meines Jobs, das worin ich gut war. Ich setzte mich ins Auto und machte mich auf den Weg. Auf diesen Wagen wollte ich auf keinen Fall verzichten.
    Auf halber Strecke zum Porsche-Zentrum fiel mir eine Werbetafel über einem Ladenlokal in einem eingeschossigen roten Backsteingebäude mit allerlei kleinen Geschäften und einem Asia-Imbiss ins Auge. Ich bremste so abrupt ab, dass ich fast einen Auffahrunfall provoziert hätte, fuhr an den Straßenrand und drehte mich zu dem Schild um. Es zeigte drei goldene Kugeln, die von drei verbundenen Balken hingen. Ja, vielleicht konnte das die Lösung sein.
    Innerlich fluchend, dass es nun so weit mit mir gekommen war, schlenderte ich die paar Schritte zurück. Über den Fenstern befanden sich Schilder mit knallroter Schrift auf knallgelbem Grund. Auf einem stand „Wir verleihen Geld für“, auf einem anderen „Gold- und Silberschmuck, Edelsteine, Uhren“, dann „Fernsehgeräte, DVD-Player, Kameras, Kunstgegenstände“. In den Fenstern wurden die verpfändbaren Gegenstände noch einmal aufgezählt und einige der Pfänder ausgestellt. Über dem Eingang prangte der Name „Commonwealth Loan“ – ein Pfandleihhaus.
    Noch vor ein paar Tagen hätte ich keinen Fuß in ein derartiges Etablissement gesetzt, das Diebe, Einbrecher und sonstiges Gesindel geradezu magisch anzog, wenn sie ihre Beute an den Mann bringen wollten. Nun fand ich mich an der Theke und blickte in das unrasierte Gesicht eines adipösen Mannes lateinamerikanischer Abstammung in einem schrill-bunten Hawaiihemd, der eine goldene Uhr mit Goldarmband am Handgelenk, goldene Ringe auf den Fingern und mehrere goldene Ketten um den massigen Hals trug.
    „Tag auch, Kumpel“, begrüßte er mich, „kaufen oder leihen? Was kann ich für Dich tun?“
    Angewidert zögerte ich einen Moment lang, zu antworten, und erwog, auf dem Absatz kehrt zu machen. Doch schnell ich ließ den Gedanken fallen. Ich brauchte das Geld. Stolz konnte ich mir nicht länger leisten.
    „Guten Tag. Es … geht um meine Uhr hier.“
    Ich zog den Hemdsärmel nach oben, damit mein Gegenüber die Uhr in Augenschein nehmen konnte. Der Mann sah sie bewundernd an und kratzte sich am Hinterkopf.
    „Ist das 'ne Limone oder ist sie heiß?“
    „Wie bitte? Wollen Sie andeuten, die Uhr sei gestohlen?“
    „Ich mach nur Spaß, Kumpel.“
    Der Mann lachte in sich hinein und amüsierte sich über meine Entrüstung. Dann hob er den Telefonhörer ab.
    „Boss, da ist ein Kunde für Dich. Kann ich ihn reinschicken?“
    Die Stimme am anderen Ende bejahte die Frage offensichtlich, denn mein fülliger Gesprächspartner wies auf eine verdeckte Tür an der hinteren Wand und sagte:
    „Geh ruhig durch, der Boss erwartet Dich.“
    Ich ging zu der Tür – ein Summer erklang, als sie elektrisch entriegelt wurde – und trat in einen Raum mit Granitfußboden, weißen Wänden und einem übermannshohen Safe an einer Wand. Durch die schmalen, vergitterten Fenster blickte man in einen ungepflegten Innenhof. Ein drahtiger Mann in den Vierzigern mit kurzem hochgeföhnten Haar erhob sich von seinem Schreibtisch. Er trug ein eng anliegendes hellgraues Oberhemd mit hochgekrempelten Ärmeln, eine schwarze Hose und eine dunkelgraue Krawatte.
    „Carson Wakener“, begrüßte er mich mit festem Händedruck. „Was kann ich für Sie tun?“
    Seine Augen waren schmal und dunkel, aber überaus lebhaft. Sie gaben ihm das Antlitz eines Falken, der das Verhalten der Maus am Boden verfolgt und den richtigen Augenblick abwartet, sich auf sie zu stürzen.
    Ich zeigte ihm meine Uhr.
    „Patek Philippe, 5146. Ein schönes Stück haben Sie da.“
    Wakener verstand etwas von seinem Geschäft. Er nannte mir aus dem Stegreif nicht nur die Referenznummer, sondern auch den ungefähren Preis, den ich vor zwei Jahren dafür bezahlt hatte. Er ließ sich die Uhr geben und untersuchte sie sorgfältig.
    „An was für einen Kreditbetrag haben Sie gedacht?“, fragte er dann.
    Ich nannte ihm einen Betrag, der bei 80 % des derzeitigen Neupreises lag. Wakener lachte nur. Er nahm einen Zettel und schrieb eine Zahl darauf.
    „Das kann ich Ihnen anbieten. Keinen Cent weniger, keinen Cent mehr.“
    Der Betrag war in meinen Augen lächerlich gering war.
    „Wir können weder sicher

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