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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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gekommen.“
    Wenn er Leute befragt hatte, wusste es bald die ganze Stadt. Mir wurde elend zumute. Nicht meinetwegen. Mir war Geschwätz gleichgültig. Aber Annabell. Sie war hier aufgewachsen. Sie wurde überall hoch geachtet. Nicht auszudenken, wenn sich nun dieses Gerücht verbreiten würde. Es galt nun, so viel wie möglich über den Stand der Ermittlungen heraus zu bekommen. Ich setzte mich wieder hin.
    „Was für Details sollen das sein?“
    „Aus ermittlungstaktischen Gründen kann ich Ihnen das nicht sagen.“
    „Wer hat die Anzeige erstattet. Sicher kenne ich ihn und es war nur ein dummer Scherz. Außerdem habe ich mich im Unfrieden von meinem ehemaligen Arbeitgeber getrennt. Eine Anzeige aus dieser Richtung wäre reine Schikane.“
    „Das ist ja höchst interessant“, Osborne lächelte hämisch. „Selbstverständlich behandeln wir die Identität des Anzeigenerstatters vertraulich. Aber wenn es so ist, wie Sie sagen, werden wir auch Ihren Arbeitgeber befragen müssen. Er kann uns sicherlich wertvolle Informationen geben, die Rückschlüsse auf Ihren Charakter zulassen.
    Was ich interessant finde, ist, dass Ihre Schwester nach Aktenlage schon einmal sexuell belästigt wurde. Sie selbst konnten den Täter damals überführen. Im Licht der neuen Entwicklungen frage ich mich natürlich, ob nicht vielmehr Sie es waren, der sie bedrängt hat und der von seiner Schuld ablenken wollte. Wir werden Ihre Schwester auch dazu befragen. Wenn sie die Vorwürfe bestätigt, …“
    „Sie lassen meine Schwester in Ruhe, Osborne! Sie hat gerade eine lebensbedrohliche Krankheit hinter sich. Sie kann Aufregung nicht gebrauchen.“
    „Das arme Mädchen. Vom eigenen Bruder missbraucht. Kein Wunder, dass sie krank wird.“
    Das Ganze lief aus dem Ruder. Wenn es nicht Hawthorne war, der mich angezeigt hatte und er nun Hawthorne befragte, und jeden in der Stadt und Annabell. Das war unerträglich.
    „Osborne, ich warne Sie. Ich werde Ihre Karriere beenden. Wenn ich mit Ihnen fertig bin, laufen Sie durch die Stadt und stellen Strafzettel für Falschparken aus, wenn man Sie nicht ganz aus dem Polizeidienst entfernt.“
    Ich hatte keinen Schimmer, wie ich diese Drohung umsetzen sollte, aber das wusste Osborne nicht.
    „Geben Sie auf, Meyers. Wir kriegen Sie ohnehin. Wenn Sie jetzt auspacken, werde ich vor Gericht ein gutes Wort für Sie einlegen. Das wird sich strafmildernd auswirken.“
    Ein verzweifelter Versuch. Noch hatte er nichts in der Hand.
    „Ich gebe gar nichts zu. Das Gespräch ist für mich beendet.“
    Ich stand auf.
    „Setzen Sie sich, Meyers. Ich sage hier, wann ein Gespräch beendet ist. Ich kann Sie vierundzwanzig Stunden ohne einen richterlichen Beschluss hier festhalten …“
    „Das können Sie nicht“, sagte eine volltönende Stimme ruhig von der Tür aus. Dort stand ein älterer wohlbeleibter Herr mit dem sympathischen Gesicht einer Bulldogge. Hinter ihm trat Richter Rutherford in den Raum. Ein Stein fiel mir vom Herzen.
    „Das Verhör ist beendet, Lieutenant. Sie haben Mr. Meyers zu den Vorwürfen befragt und Mr. Meyers hat sich klar und eindeutig dahin gehend geäußert, dass diese Vorwürfe aus der Luft gegriffen sind. Es besteht keinerlei Grund, an seinem Wort zu zweifeln, geschweige denn, ihn hier festzuhalten.“
    „Aber, Captain, das Büro des Staatsanwalts …“, Osborne sah seinen Vorgesetzten mit kaum verhohlenem Zorn an.
    „Ich trage hier die Verantwortung, Osborne, und ich werde mein Vorgehen gegenüber dem Staatsanwalt zu vertreten wissen. Ich danke Ihnen für Ihren Diensteifer, aber es gibt für Sie hier nichts weiter zu tun.“
    Osborne sah den Captain an wie ein bissiger Hund seinen Herrn nach einer Tracht Prügel.
    „Wie Sie wünschen, Captain.“
    „Ja, das wünsche ich. Wenn Sie mich bitte mit dem Richter und Mr. Meyers allein lassen wollen.“
    „Natürlich, Sir.“
    Osborne nahm seine Akte und zog widerwillig ab.
    „Mr. Meyers.“ Der Polizeichef von South Port gab mir freundlich die Hand. „Ich bin Captain Creedy. Entschuldigen Sie bitte das Verhalten des Lieutenants. Er ist sehr … energisch, wenn es um Ermittlungen geht, die ihn ins Licht der öffentlichen Wahrnehmung rücken. Und Ihr Fall ist geeignet, eine Menge Staub in dieser Stadt aufzuwirbeln.“
    „Selbstverständlich glaubt niemand hier an diesen hanebüchenen Unsinn“, schaltete der Richter sich ein. „Es ist fast eine Frechheit, meinen Neffen dazu zu vernehmen.“
    Jetzt war ich schon zu seinem Neffen

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