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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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Walfangzentrum gewesen, bevor ihm andere Städte den Rang abgelaufen hatten.
    Über alledem kreischten die Möwen und andere Seevögel. Sie stießen, wo immer sie konnten, auf den Fang hernieder oder versuchten, jedem unachtsamen Schlemmer sein Fischbrötchen oder seine Tüte Pommes frites aus der Hand zu stibitzen.
    Ich betrachtete das Treiben eine Weile, sog den Geruch von Meer und Fisch ein und sah mich dann nach einer Gelegenheit zum Lunch um. Enttäuscht musste ich feststellen, dass Nick’s, zu dem die Hummer verschwunden waren, leider nirgendwo zu entdecken war. Ich wollte gern in der Nähe zu Mittag essen und entschied mich schließlich für das Waterfront Diner, ein schlichtes Restaurant mit traditioneller amerikanischer Küche und einem Schwerpunkt auf Seafood, von dessen erhöhter Veranda man einen guten Blick auf den gesamten Hafen hatte.
    Sandy eine etwa 25-jährige Bedienung mit kräftig aufgetragenem Make-up und schlecht blondierten Haaren, die zu einem Pferdeschwanz gebunden waren, hieß mich willkommen, starrte unwillkürlich auf meine blank polierten Bommelschuhe und ließ ihren Blick über die exakte Bügelfalte meiner Hose und mein restliches Outfit wandern. Sie hatte ein hübsches Gesicht, eine akzeptable Figur und war offensichtlich angezogen von meiner Erscheinung und der warmen Stimme, mit der ich sie höflich um einen Tisch bat. Allerdings schien sie in meiner Gegenwart ein wenig gehemmt zu sein. Vermutlich, weil ihr klar sein musste, dass sie nicht gerade in meiner Liga spielte.
    Ich ließ mich von Sandy zu einem Tisch am Ende der Veranda führen und genoss ihre Verunsicherung, als ich ein wenig mit ihr flirtete. Sie war in South Port geboren und aufgewachsen, hatte früh die Schule verlassen, arbeitete seit dem vergangenen Sommer in diesem Diner und war Single. Nachdem sie mir diese wesentlichen Eckdaten ihres Daseins preisgegeben hatte, zog sie sich zurück und gab mir die Gelegenheit, die Karte zu studieren.
    Als sie zurückkam, um meine Bestellung aufzunehmen, war sie bereits merklich gelöster, geradezu zutraulich. Spätestens nach ein paar schönen Worten und einer Spritztour im Porsche würde sie die Beine für mich breitmachen, da war ich sicher. Ich würde mir vorsorglich ihre Nummer geben lassen. Schließlich würde ich in dieser Einöde nach derzeitigem Stand einige lange Abende zu füllen haben. Da konnte ein Notfallplan nicht schaden.
    Ich bestellte als Vorspeise Crab-Cakes, gebratene Bällchen von Krebsfleisch in einem Kartoffelmantel, mit Remouladensauce, als Hauptgang gebratenen Heilbutt mit Pommes frites und einem gemischten Salat, dazu ein stilles Mineralwasser und ein Glas trockenen kalifornischen Weißwein, mit dessen Auswahl ich mich nicht lange aufzuhalten brauchte, da nur ein lieblicher und ein trockener Wein vorrätig waren. Anschließend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück, streckte mein Gesicht der Sonne entgegen und schloss die Augen, um den Geräuschen des Hafens zu lauschen: Möwen, der Wind in den Masten der Segler, hier und da die Rufe der Fischer oder die Gespräche der Passanten. Doch schon bald schweiften meine Gedanken ab und kreisten um ungelöste Rechtsfragen, bevorstehende Termine und andere Dinge, die ich im Büro zu erledigen hatte.
    Das Gekicher von Mädchen holte mich in die Gegenwart zurück.
    Drei Mädchen um die Sechzehn gingen unter mir am Restaurant vorbei, kamen die Treppe herauf und setzten sich an einen Tisch, der zwei Tische von mir entfernt stand.
    Die lokale Dorfjugend verkehrte also auch in diesem Diner. Das sprach zumindest für das Preis-Leistungs-Verhältnis.
    Unauffällig, hinter den Gläsern meiner Sonnebrille verborgen, nahm ich die jungen Damen näher in Augenschein. Dabei stellte ich fest, dass diejenige der Drei, die mir direkt gegenübersaß, wirklich hübsch war. Eine potenzielle Homecoming-Queen. Sie war sonnengebräunt und trug ihr langes, natürlich blondes Haar offen, nur von einem Haarreifen zurückgesteckt. Ein tief ausgeschnittenes türkises Oberteil mit Spaghettiträgern betonte ihren gut entwickelten Busen. Ihr Make-up wie überhaupt ihre ganze Erscheinung schien auszudrücken zu wollen, dass sie kein kleines Mädchen mehr war. Die andere, die von ihrem Platz aus auf den Hafen blickte, hatte ihr mausblondes Haar hochgesteckt. Sie trug ein hellgraues T-Shirt mit einem bunten Aufdruck und wirkte insgesamt nichtssagend im Vergleich mit ihrer blonden Freundin. Die Dritte war brünett. Viel mehr konnte ich nicht über

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