Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See
sie sagen, da sie mit dem Rücken zu mir saß.
Als Sandy kam, um mir die Getränke und Crab-Cakes zu bringen und die Bestellung der Mädchen aufzunehmen, die sie offenbar kannte, bemerkte ich, dass die blonde Teen-Queen mich inzwischen ebenfalls bemerkt hatte und mich mit erkennbarem Interesse musterte. Wie schon Sandy, musste ihr meine doch recht elegante Erscheinung ungewöhnlich für South Port vorkommen und ungewöhnliche Dinge erwecken nun einmal tendenziell Aufmerksamkeit.
Als Sandy den Dreien je ein Glas Cola brachte, entging der Blonden nicht, dass auch Sandy immer wieder zu mir hinüber sah. Sie quittierte das mit einem missbilligenden und durchaus hochmütigen Blick, der mich amüsierte. Offenbar war ihr deutlich bewusst, dass ihre äußere Erscheinung diejenige von Sandy übertraf. Aber leider – oder zum Glück für sie – war sie ein bisschen zu jung für meinen Geschmack.
Diese Einschätzung bestätigte sich, als ich das Tuscheln, Kichern und ihr fortdauerndes ungeniertes Starren zum Anlass nahm, spaßeshalber meine Sonnenbrille abzunehmen, ihr deutlich zuzunicken und ihr zum Gruß mein Weinglas zu erheben:
Meine kleine Freundin errötete augenblicklich und wandte den Blick blitzschnell in Richtung Hafen. Offenbar war sie doch noch nicht so abgeklärt, wie ihr Erscheinungsbild Glauben machen wollte.
Ich musste über derartige Kindereien schmunzeln und wandte meine Aufmerksamkeit wieder von den Dreien ab. Während ich mein Heilbuttfilet genoss, malte ich mir stattdessen das ins Auge gefasste Sandy-Dessert aus und plante mein weiteres Vorgehen: Ich würde Sandy über die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten ausfragen und ihre Telefonnummer in Erfahrung bringen oder sie, je nach dem, wie das Gespräch verlief, jetzt gleich darum bitten, mich nach der Arbeit ein wenig herum zu führen.
Soeben ließ ich den letzten Bissen des butterweichen Fischs auf der Zunge zergehen, da hörte ich die Blonde ein wenig zu laut sagen:
„Na, jetzt mach schon. Geh schon ‘rüber.“
Ich sah wieder zu den Mädchen hinüber und schon erhob sich die Dritte, diejenige, die mir bisher den Rücken zugewandt hatte, und kam auf meinen Tisch zu.
Und diese Dritte … ach die Dritte … die Schaumgeborene … Ich war wie vom Schlag getroffen bei dem ersten Erlebnis ihrer Gegenwart. Wie kann ich die richtigen Worte finden, um es angemessen zu beschreiben? Ich will es hier versuchen und weiß doch, dass ich dem, was ich an jenem Tag empfand, nicht gerecht werde:
Vor mir stand ein Wesen wie aus einer Dichtung, in der allerlei fantastische Geschöpfe ihren Auftritt haben. Eine Nymphe von unbeschreiblicher Anmut und Zartheit, etwa einen Meter und fünfundsechzig groß. Sie sah noch ein wenig jünger aus als ihre Freundinnen. Wie alt mochte sie sein? Ich fragte mich, ob sie die sechzehn Jahre überhaupt schon erreicht hatte.
Ihr engelhaftes Gesicht war oval geformt. In seiner Mitte wohnte eine kleine Stupsnase, darüber große Augen geschmückt von langen Wimpern und zarten Brauen, in deren leuchtend klares Blaugrün man versinken mochte, darunter ein kleiner Mund mit einladenden sanft-rosa Lippen. Ihr Haar, das leicht gewellt bis auf die Schultern fiel, war nicht lediglich brünett, wie ich aus der Entfernung angenommen hatte, sondern schimmerte in der Sonne in zartem Mahagoni. Ihre Haut war ebenmäßig und von der Farbe transluzenten Porzellans, die ahnen ließ, warum in vergangenen Zeiten ein heller Teint so hoch geschätzt wurde. Ihre Gliedmaßen waren überaus zart, ebenso die Andeutung ihres kindlichen Busens, der unter einem geblümten Oberteil verborgen lag, das ihre schmalen Schultern weitgehend unbedeckt ließ.
Diese nackten Schultern und der grazile Hals weckten in mir einen brennenden Appetit. Ich wollte sie küssen, sie schmecken, diese weiche Haut auf meinen Lippen und meiner Zunge spüren. Niemals zuvor hatte ich auf den ersten Blick ein solches Verlangen nach einer Frau empfunden und diese Frau war kaum dem Kindesalter entwachsen. Jegliche Erinnerungen an Jessica und all die anderen, die ich gehabt hatte, waren nur noch blasse Bilder. Sandy und die blonde Freundin dieses Engels waren aus meiner Wahrnehmung getilgt.
Als sie unmittelbar vor mir stand, wehte der Wind ihr Parfum in meine Richtung, und dieser Duft in Verbindung mit ihrer Erscheinung war so anziehend, so verlockend, dass ich mich in ein Blut saugendes Fantasie-Wesen aus einem Roman versetzt fühlte, dessen Verfilmung ich gesehen hatte: Der an die
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