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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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der Hand haltend.
    Annabell hatte mich in den Garten verbannt. Ich konnte das süße Objekt meiner Begierde nicht einmal mehr beobachten.
    Ich war ein hochqualifizierter Anwalt, der Traumhonorare in Rechnung stellte, und was machte ich? Ich erledigte hier gewöhnliche Handarbeit. Jeder Boot-Kubaner ohne Schulbildung, jeder hinterletzte Mexikaner, der es über den Zaun geschafft hatte, hätte das hier erledigen können. Für wen hielt sie mich? Den ewigen Gärtner?
    An der Seite des Hauses befand sich ein Wasserhahn, der mit einem unterirdischen Brunnen verbunden war. Mit diesem Anschluss war ein langer Schlauch oder eine Verbindung mehrerer Schläuche verbunden, die in der Spritzpistole endeten, die ich in der Hand hielt. Annabell hatte mir aufgetragen, sämtliche Blumen und Büsche in unmittelbarer Umgebung des Hauses und in dem formell angelegten Garten mit dem Wasserbecken zu versorgen.
    So stand ich da und wässerte. Und wässerte und wässerte. Denn es waren viele Blumen und Büsche.
    Zunächst war mir dieser Missbrauch zu niederer Arbeit gar nicht genehm. Ich stellte einen dicken Strahl mit hohem Druck ein und zeichnete Muster in der Erde eines Beets, ließ die Blüten mehrerer Rosen in unzählige Fragmente zerbersten, köpfte ein paar Dahlien und mähte eine Phlox-Gruppe nieder.
    Die Reue folgte jedoch unmittelbar. Zum einen wollte ich es vermeiden, dass Annabell meine Schandtaten entdeckte – das wäre meinen Absichten schließlich abträglich gewesen -, zum anderen war es schade um die schönen Blumen, denn sie konnten nichts für meine unliebsame Arbeit und machten aus dem Garten ein wahres Paradies. So stellte ich die Pistole auf Sprühen um und widmete mich ernsthaft meiner Aufgabe.
    Während ich also so wässerte und wässernd kreuz und quer durch den Garten spazierte, stellte ich fest, dass das Wässern eigentlich eine recht befriedigende Tätigkeit war. Die Notwendigkeit von Beet zu Beet zu laufen, brachte es mit sich, dass ich die vielen verschiedenen Blumen, die man von der Terrasse nur als Ensemble wahrnahm, aus der Nähe betrachten konnte. Auch zeigte sich mir der Garten in unterschiedlich Perspektiven und ich entdeckte Dinge, die mir zuvor gar nicht aufgefallen waren – fremdartige Farngewächse, Kletterpflanzen mit winzigen roten Blüten, die überwucherte Steinskulptur eines Elefanten und vieles mehr. Darüber hinaus konnte ich förmlich spüren, wie die verschiedenen Pflanzen sich nach dem Wasser sehnten und meine Gabe dankbar entgegen nahmen.
    Schließlich war ich fertig und wollte den Schlauch mit einem auf dem Boden stehenden Rasensprenger verbinden. Ich löste die Pistole vom Schlauch, wie Annabell es mir aufgetragen hatte, und hatte damit auch weiter keine Schwierigkeiten. Als ich aber den Schlauch an den Sprinkler angeschlossen hatte, setzte sich dieser ohne Vorwarnung in Betrieb und ich bekam eine volle Ladung Wasser ab.
    Dieser verdammte Rasen! Sollte er doch verdorren und sich Unkraut in ihm breitmachen. Ich fluchte lautstark vor mich hin.
    Bis ich von der Terrasse leises Gelächter hörte. Annabell war gerade dabei gewesen, den Tisch zu decken und hatte meine Ungeschicklichkeit beobachtet.
    „Es soll helfen, wenn man die Pumpe vorher abstellt“, rief sie mir zu.
    Und plötzlich fühlte sich das Wasser ganz anders an. Es war angenehm kühl auf meiner Haut.
    Ich ging zurück zum Haus. Mein Hemd war völlig durchnässt und auch die Hose hatte – ausgerechnet im Schritt - ein wenig abbekommen.
    Annabell ließ sich nicht zu einem kindischen Kommentar verleiten, sondern ging hinein und brachte mir wenig später ein verwaschenes dunkelblaues Poloshirt, Khaki-Shorts und ein Handtuch. Ich zog mein nasses Hemd aus und trocknete mich ab.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Annabell, die mir Wein einschenkte, verstohlene Blicke auf meinen unter Johns Aufsicht gestählten Oberkörper warf. Ich musste mich zusammennehmen, um keine Reaktion zu zeigen, als ihr das Glas überlief und sie hastig mit den Servietten den Tisch abtrocknete.
    Wenn mein nackter Oberkörper sie derart faszinierte, war sie jedenfalls kein Kind mehr. Ich schäumte über von Zuversicht. Über kurz oder lang war die Kleine fällig. Wenn nicht heute Abend, dann doch morgen oder übermorgen.
    Ich zog das trockene Shirt über, das ein wenig eng war, schlüpfte in die Shorts und wir setzten uns zu Tisch. Ich war überrascht, auf der Terrasse Musik zu hören. Doch obschon das Haus ein alter Kasten war, befanden sich unter dem

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