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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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doch vielleicht ein wenig zu alt und ein wenig zu heilig für einen lustigen Abend.“
    „Sag das nicht. Ich meine: Er ist äußerst humorvoll. Warte ab, bis Du ihn näher kennst.“
    Also konnte sie auch der Gesellschaft sehr viel älterer Männer etwas abgewinnen. Was machten da die paar Jahre aus, die zwischen uns lagen.
    „Ja, vielleicht hast Du recht .“
    Sie schwieg.
    Sprich, mein kleiner Liebling, gib Deinen herrlichen Lippen Freiraum. Woran denkst Du?
    Und tatsächlich fuhr sie fort: „Außerdem. Er und Onkel Charlton – also Richter Rutherford – ich weiß zwar, er ist ein Cousin meiner Oma, aber ich kenne ihn nur als Onkel Charlton – die beiden sind die einzige Familie, die ich noch habe, seit Oma Eugeny gestorben ist.“
    Sie sah mit einem Mal sehr traurig aus und ich wollte zu ihr gehen, sie an mich drücken und sie trösten. Sie würde bittersüß traurig zu mir aufblicken. Ich würde sie sanft küssen und dann …
    „Jetzt hast Du doch auch noch mich. Ich bin zwar sicher nicht so heilig, wie der Reverend“, - wahrlich nicht -, „oder so ein guter Angler wie Dein Onkel Charlton, aber vielleicht … wenn wir uns etwas besser kennen, meine ich …“
      „Ja, das stimmt.“
    Sie strahlte mich an. Was für ein Strahlen. Die Sonne ging auf.
    Dann fügte sie hinzu: „Vielleicht versuchst Du es einfach mal?“
    Sie näher kennenzulernen? War das eine Aufforderung sie gleich hier und jetzt zu nehmen. Meine eigene Schwester? Das kleine Luder. Konnte ich so viel Glück haben?
    „Was meinst Du?“
    „Das Fischen. Vielleicht nimmt Onkel Charlton Dich mal mit raus. Er hat ein Segelboot.“
    Na, danke. Darauf konnte ich verzichten. Der alte Zausel sollte mir besser nicht so bald wieder unter die Augen kommen. Obwohl andererseits? Aufgrund seines Irrsinns war ich hier. Mit diesem Mädchen. Ich musste Hawthorne anrufen und unseren Vernichtungsfeldzug absagen. Es wäre sicher für die Beziehung zu meiner Schwester nicht ganz förderlich, wenn ich ihren Rufonkel aus dem Amt befördern würde.
    Oder sollte ich ihn eher im nächsten Gartenteich ersäufen, weil er mir dieses Dilemma eingebrockt hatte?
    „Ja, das wäre bestimmt nett … wenn Du auch mitkommst, versteht sich.“
    Ein Hauch von Rot huschte wieder über ihre Wangen. Zu süß.
    „Du bist jetzt also mein Vormund, sagt Onkel Charlton?“
    Aha. Sie wollte das Thema wechseln.
    „Wollen wir uns nicht setzen?“ entgegnete ich. „Der Tee ist noch heiß.“
    Wenn auch nicht halb so heiß wie Du …
    Sie setzte sich in den Sessel des Reverends. So gern ich es wollte, ich konnte mich nicht gut direkt danebensetzen. Das hätte aufdringlich gewirkt. Also setzte ich mich wieder in den Sessel, der im rechten Winkel zu ihrem stand, und schenkte uns Tee ein. Sie nahm weder Milch noch Zucker. Ganz so wie ich auch.
    „Ja, also Dein Onkel Charlton hat mich da ein bisschen überrumpelt.“
    Ein bisschen war übertrieben. Dieser böswillige Mistkäfer.
    „Und es stimmt. Er hat mich zu Deinem Vormund ernannt. Aber keine Angst. Du bist fast erwachsen. Ich werde Dich nicht um sieben ins Bett schicken oder dergleichen.“
    Höchstens in mein Bett.
      „Na, dann ist’s ja gut“, lachte sie und fügte verschmitzt hinzu „Also brauche ich keine Angst zu haben, dass Du Deine Stellung ausnutzt?“
    Oh doch, die solltest Du haben. Um genau zu sein, bin ich jetzt gerade extrem in Versuchung meine Stellung auszunutzen. Die Idee, ihr das Grundstück günstig abzujagen und mit Gewinn zu verkaufen, war im Vergleich dazu harmlos.
    „Nein. Das brauchst Du nicht. Wir werden uns schon gut arrangieren.“
    „Also bist Du nicht böse, dass Onkel Charlton Dich hierher gebeten hat?“
    Er hatte mich nicht gebeten, er hatte mich unter Androhung von Polizeigewalt gezwungen.
    „Nein, bin ich nicht. Ganz und gar nicht. Sonst hätten wir beide uns womöglich nie kennengelernt.“
    Diese Bemerkung schien sie zu freuen.
    Musste ich Rutherford tatsächlich dankbar sein?
      „Also meinst Du, dass man es mit mir aushalten kann?“
    Flirtete sie mit mir oder suchte sie nur ganz allgemein Bestätigung, wie Mädchen in ihrem Alter – oder eigentlich in jedem Alter – es häufig taten?
    „Das kommt drauf an.“
    Ich warf den Köder aus …
    „Worauf denn?“
    … und Sie biss an. Meine Fähigkeiten kehrten zurück. Ich war wieder Herr der Situation.
    „Was es zum Abendessen gibt. Ich glaube, ich bekomme schon wieder Appetit.“
    Aber nicht auf das Essen.
    „Hattest Du nicht zu

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