Annas Erbe
wirklich gewesen sein mochte. Jeder, den er bisher gefragt hatte, beschrieb sie anders. Sie war Flittchen und Muse, dickköpfig und weichherzig, Frau und Freundin für Kommunisten, Künstler, Proleten und Polizisten.
Und wer war Eva? Vielleicht wusste sie, wer Günther Eich nach 25 Jahren im Gefängnis den Tod gewünscht hatte. Vielleicht hatte sie eine Ahnung, was es mit dem Album, das Eich laut Fritz Engels gesucht hatte, auf sich hatte. Eva, die Anwaltsgehilfin. Sinnliche Stimme, warme Augen, heiße Schenkel. Schönheit und Klasse. Eva, die Pornodarstellerin. Dieselbe Frau? Er überlegte, wie es wäre, sie danach zu fragen.
Ab und zu pikste es in seinem Bauch, und er fühlte sich flatterig im ganzen Körper. Nach den Exzessen der letzten Tage hatte er den Sonntag ohne einen Tropfen Alkohol durchgestanden. Dafür büßte er nun mit Schlaflosigkeit. Eigentlich wollte er morgen ausgeruht und fit an die Sache gehen. Er wusste, dass das hochprozentige Schlafmittel ihm helfen würde, doch er widerstand. Er gab auch nicht der Versuchung nach, sich mithilfe des Videos zu zerstreuen.
Obwohl der Mond nicht durch die Wolken drang, flutete eine unwirklich scheinende Helligkeit von draußen in sein Zimmer. Der Schnee reflektierte die unzähligen Lichter der nächtlichen Stadt, und was der Schnee nach oben strahlte, warf die Wolkendecke zurück. Irgendwann zählte Thann die Schläge einer Kirchenglocke. Viertel vor zwei. Bald darauf ertönte eine zweite, entferntere Glocke, wie ein spätes Echo. Danach schlief er endlich ein.
Udo
25.
Montag, der 17. Dezember. Ein kalter, nebliger Morgen.
Drei Schlagzeilen auf der Titelseite des BLITZ:
RUSSENMAFIA AUCH AM RHEIN!
34 FRAUEN AUS SEX-GEFÄNGNIS BEFREIT!
Viermal schlug die Polizei am Wochenende zu. Bordelle, Sexklubs, Drogenhöhlen. Viermal der Beweis: Die Russenmafia hat begonnen, ihr Netz über die Stadt zu breiten. 34 Frauen hielten die Russen als Sklavinnen. Zum Sex verkauft wider Willen. Ein Horrorleben. Alles über das Treiben der Russenmafia im BLITZ. Wie gründlich war der Schlag gegen den Iwan-Terror wirklich? Exklusiv auf Seite 4.
DROGEN, SEX, PLUTONIUM –
DAS TREIBEN DER RUSSENMAFIA IN DEUTSCHLAND!
Sie machen Milliardenumsätze, sie morden täglich, sie handeln mit dem Strahlentod! Millionen zittern vor ihnen. Sie halten Russland im Würgegriff – bald auch uns? Gennadij F., 37, Boss der Russenmafia, exklusiv gegenüber BLITZ: »Ich bin mächtiger als Jelzin und Clinton zusammen.« Wie sicher können wir noch schlafen? Hintergrund auf Seite 5.
GEFESSELT, GESCHLAGEN, MISSBRAUCHT –
SO MACHTEN SIE MICH ZUR SEXSKLAVIN!
Tanja war süße 16, als sie das Opfer der Russenmafia wurde. Ihre Peiniger machten sie zur Sexsklavin. Sie erzählt ihre Geschichte – herzzerreißend. Tränen laufen über die Mädchenwangen. Den Teddy presst sie an sich. Kein Zweifel: Tanja ist fast noch ein Kind. Stundenlang wurde sie gefesselt, geschlagen und von fremden Männern zum Sex gezwungen. Sie gesteht: »Ich wünschte mir den Tod.« Die neue Serie ab sofort im BLITZ auf Seite 6:
DAS TAGEBUCH DER BLUTJUNGEN SEXSKLAVIN!
Thann parkte so weit von Bollmanns Porsche entfernt, wie es ging, und hoffte, dem künftigen Polizeipräsidenten nicht über den Weg zu laufen. Das Kommissariat zwei, Sitte, Rauschgift und Vermisste, lag auf der anderen Seite der Festung, genau gegenüber des Kommissariats eins, Tötungsdelikte.
Thann meldete sich im Vorzimmer des Kommissariatsleiters, doch man schickte ihn weiter in einen Konferenzraum. Die Morgenbesprechung hatte bereits begonnen. Er setzte sich in die letzte Reihe.
Der Leiter des K2 war Hauptkommissar Fröhlich. Er war Mitte vierzig, etwas dick um die Hüften, hatte grau meliertes Haar und trug eine Brille. Er war heute so gelaunt wie er hieß.
Fröhlich sprach seinem Team Dank aus. Ein Großteil der rund zwanzig Leute war am Wochenende im Einsatz gewesen. Nachdem sie am Freitag bereits die Oase durchsucht und geschlossen hatten, hatten sie am Samstag drei weitere Klubs überprüft und sämtliche Angestellten festgenommen. An der Berichterstattung des BLITZ war zwar fast alles falsch, dennoch trug sie zur guten Laune des Dicken bei.
Nur eine Frau aus Lettland war zur Prostitution gezwungen worden. Die anderen hatten es durchaus freiwillig getan, und um auf die Zahl von 34 Frauen zu kommen, hatte die Zeitung sogar Putzfrauen und Büroangestellte dazugezählt. Harte Drogen oder gar Plutonium hatten die
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