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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Pfaff. Der Kleine ist immerhin mein Sohn.
    »Ich war bei der Geburt dabei. Wir nannten es Karl. Leider nahm es dieser Polizist mir weg. Ich konnte es nicht verhindern. Ich hatte meine erste Ausstellung in den USA. Als ich zurückkam, ließ man mich meinen Sohn nicht besuchen. Ein Anwalt belehrte mich, dass ich keine Aussichten hätte, die Vaterschaft auf dem Rechtsweg zu erlangen. Ich geriet damals in meine depressivste Phase und konnte wochenlang nicht arbeiten. Schließlich verließ ich das Land und ging in die USA.«
    »Kannten Sie Günther Eich?«
    »Ich sah ihn einmal. Ein intellektueller Typ. Einer von Annas Freunden. Wie gesagt, mich interessierte nicht, was Anna tat, wenn ich nicht da war. Das berührte unsere Liebe nicht.«
    »Wissen Sie, was aus den Kindern wurde?«
    »Ich habe nie mehr danach geforscht. Ich verdrängte den Gedanken daran aus Angst, wieder in Depressionen zu verfallen.«
    »Wer war der Polizist, der Annas Sohn Karl zu sich nahm?«
    »Es war ihr geschiedener Mann. Er holte alle drei Kinder, als seien es alle drei die seinen. Sie müssten ihn eigentlich kennen. Er hat später Karriere gemacht, habe ich gehört. Kurz heißt er. Den Vornamen kenne ich nicht.«
    »Hans-Werner Kurz, der Polizeipräsident?«
    »Genau der.«
     
     
    23.
     
    Thann rekapitulierte: Seit Bollmann ihn abgesetzt hatte, war er bei vier Personen gewesen, die Eich gekannt hatten. Frentzel, Pfaff, der verrückte Engels und der Taxifahrer.
    Fakt: Drei Kinder. Erstens Udo Korfmacher, der Fotograf. Zweitens Eva, die Anwaltsgehilfin. Nachname möglicherweise Kurz, nach dem Polizeipräsidenten, der die Kinder nach dem Tod ihrer Mutter aufgenommen hatte. Drittens Karl, noch unbekannt.
    Fakt: Eich hatte nach einem Album gesucht.
    Fakt: Eich war zwei Tage vor seiner Ermordung mit dem Taxi zu Udo Korfmacher gefahren.
    Thann beunruhigte der Gedanke an seine Kollegen und an den Kripochef. Wenn Bollmann bemerkte, dass er auf eigene Faust weiterforschte, war Thanns Karriere wahrscheinlich beendet.
    Ein Wettlauf.
    Thann versuchte, seine Chance einzuschätzen. Bollmann würde vermutlich den Schwerpunkt seiner Ermittlungen auf Eichs Gefängniskontakte legen und nur mit halber Kraft arbeiten. Wir können froh sein, dass es nur ein Mord an einem Haftentlassenen ist. Thann hatte den Vorteil, dass er nicht den Dienstvorschriften folgen musste und nur in die Richtungen zu forschen brauchte, die ihm am erfolgversprechendsten erschienen. Sein Nachteil lag darin, dass er allein war. Irgendwann würde Bollmann ihm auf die Schliche kommen. Seine einzige Chance bestand darin, den Mörder vorher zu finden.
     
    Aus dem Regen war Schnee geworden, in dieser Gegend der erste des Jahres, der liegen blieb. Erst jetzt wurde Thann bewusst, wie nahe Weihnachten bevorstand. Die weiße Decke, die sich über alles legte, erhellte den Abend und ließ alle hässlichen Geräusche leiser erscheinen. Bedächtig rollten die Autos in den Straßen.
    Wieder fuhr Thann die Dresdner Straße entlang, nachdem er in einer Gaststätte zum ersten Mal seit Tagen eine vollständige Mahlzeit zu sich genommen hatte. Es hatte ihm geschmeckt, und die Magenschmerzen, die sich nun einstellten, waren weniger heftig, als er befürchtet hatte.
    Zum dritten Mal an diesem Wochenende klingelte er an der Tür von Udo Korfmacher, und wieder war es vergeblich. Doch diesmal war alles ganz anders.
    Im Hinterhof fielen ihm zunächst die zahlreichen Autos auf, die hier parkten. Es waren acht, mehr hätten gar nicht hierher gepasst, ohne sich gegenseitig zu behindern. Die Fenster im zweiten Stock waren beleuchtet. Thann lief die Treppe hoch.
    Er klingelte und klopfte an der Stahltür zum Fotostudio, doch niemand öffnete. Wie aus großer Ferne hörte er Musik und einzelne Rufe, die wie Kommandos klangen. Thann hörte die Klingel selbst nicht, vielleicht war sie defekt oder abgestellt. Er klopfte ein zweites Mal an die Tür, er hämmerte mit aller Kraft, bis seine Faust schmerzte, doch das dumpfe Dröhnen rief keinen herbei. Er legte ein Ohr an die Tür.
    Frankie Goes to Hollywood – Relax! Die Bässe ließen den kalten Stahl vibrieren. Stimmen, die er nicht kannte. Rufe, die er nicht verstand. Ein letztes Hämmern gegen die Tür. Nichts. Thann ging zurück in den Hof.
    Er notierte die Nummern der parkenden Autos und verwarf den Gedanken, sich mit Steinwürfen gegen die Fenster Aufmerksamkeit und Einlass zu verschaffen.
    Senkrechte, weiße Stofflamellen verhinderten den Blick ins Innere. Das letzte

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