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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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öffnete eine zweite Flasche. An den Namen von Annas Exmann konnte er sich leider nicht erinnern.
    Plötzlich hörten sie Geräusche im Flur.
    Heinz Pfaff beugte sich vor und sprach leise: »Das ist meine Frau. Die kommt grad' nach Hause. Ich bitt' Sie, Herr Kommissar, reden wir jetzt nicht mehr von Anna. Da ist sie nämlich ganz komisch, wenn es um alte Weibergeschichten von mir geht.«
    Pfaffs Frau betrat den Raum, bepackt mit prallen Einkaufstüten. Weihnachtsgeschenke für die Kinder und den neuen Enkel, vermutete Thann.
    »Eine letzte Frage habe ich noch, Herr Pfaff«, sagte Thann. »Die muss ich allen stellen, dafür haben Sie sicher Verständnis. Wo waren Sie in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag?«
    »Da waren wir in Norddeutschland zu Besuch bei unserer Tochter«, erklärte Frau Pfaff anstelle ihres Mannes.
     
     
    22.
     
    Im zweiten Anlauf traf Thann den Maler in seiner Wohnung an.
    Leo Frentzel war ein sechzigjähriger Schönling mit langem, weißem Haar. Er trug einen Hausmantel aus schwarzer Seide. Aus der Brusttasche hing ein weißes Tüchlein. Frentzel führte Thann in seine Wohnung.
    »Sie haben Glück, dass Sie mich antreffen. Ich verlasse morgen die Stadt. Im Winter ist es mir unmöglich, hier zu arbeiten. Der Winter hat kein Licht, keine Farben. Seit fünf Jahren gehe ich jeden Winter nach Mexiko, mit all meinen Skizzen, und dort gehe ich ans Werk. Bevor ich Mexiko entdeckte, hatte ich jeden Winter eine Krise. Das ist jetzt vorbei.«
    Frentzels Wohnung sah ganz anders aus, als Thann sich die Bude eines Malers vorgestellt hatte. Keine künstlerische Unordnung, keine Farbkleckse auf dem Fußboden, keine Staffelei vor dem Fenster. An den Wänden hingen nur wenige Bilder, keines sah denen ähnlich, die Thann bei dem Altkommunarden Engels gesehen hatte. Kein Rapsfeld, keine nächtliche Großstadtszene, keine Tänzer.
    »Sie vermissen Leinwand und Paletten, nehme ich an. Ich trenne zwischen Arbeit und Zuhause. In meinem Atelier sieht es natürlich ganz anders aus. Ich gehöre nicht zu denen, die ihre eigenen Werke zu Hause aufhängen. Wenn ich ein Bild fertig habe, muss es raus, sich sozusagen selbstständig draußen in der Welt bewähren. Das ist so eine Maxime von mir. Das einzige Bild, das von mir stammt, ist dieses.«
    Der Maler führte Thann in einen zweiten Raum. Über einem Sofa hing das Porträt einer jungen Frau. Thann staunte, wie so wenige, grobe Pinselstriche ein Gesicht formen konnten, das so natürlich wirkte und den Charakter der Frau besser preiszugeben schien als alle Fotos, die er von ihr gesehen hatte.
    »Anna Korfmacher«, entfuhr es ihm.
    »Sie kennen sicher das Porträt, das in der hiesigen Kunsthalle hängt. Ein zweites besitzt ein Sammler in London. Ich habe sie nur dreimal gemalt, aber daran, dass dieses Bild bei mir in der Wohnung ist, sehen Sie, wie viel mir Anna bedeutete. Ihr Tod hat mich damals sehr getroffen, gewissermaßen mein Leben verändert. Aber setzen wir uns doch. Etwas zu trinken?« Leo Frentzel ging an die Bar.
    »Mineralwasser, wenn Sie haben.«
    »Kein Alkohol im Dienst, natürlich. Ich trinke ebenfalls nie bei der Arbeit. Das ganze romantische Gerede, dass Kunst durch den Rausch beflügelt wird, ist völliger Quatsch. Man verliert die Konzentration, und das ist in meinem Beruf so hinderlich wie in Ihrem.«
    Die Möbel erinnerten den Kripomann an die Anwaltskanzlei, in der er Eva gesehen hatte. Alles war alt und gediegen. Im Kamin prasselte ein Feuer und ließ das garstige Wetter in Vergessenheit geraten.
    »Anna war meine erste große Liebe. Davor war nur Liebelei. Noch lange nach ihrem Tod suchte ich in anderen Frauen immer nur Anna. Meine zahlreichen Reisen waren nur ein Versuch, über den Verlust hinwegzukommen. Lange Zeit ein hilfloser Versuch.«
    Frentzel reichte Thann ein Glas Wasser. Er selbst trank eine goldbraune Flüssigkeit aus einem großen Cognacschwenker. Anscheinend hatte er heute nicht vor zu arbeiten.
    »Anna war meine Muse. Zur gleichen Zeit, als ich sie kennenlernte, fand ich meinen Stil. Das war vor 27 oder 28 Jahren. Ich hatte die Akademie beendet und bereits meine ersten Erfolge. Die meiste Zeit lebte ich damals in London. Anna hatte auch andere Beziehungen. Ich wusste das, wir hatten keine Geheimnisse voreinander. Doch wenn ich in der Stadt war, dann gab es nur sie und mich. Sie wissen vielleicht, dass sie drei Kinder hatte. Das dritte war der Spross unserer Liebe.«
    Der Maler nippte von seinem Glas. Noch ein Möchtegernvater wie

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