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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Fenster war mit einer Folie verklebt, an deren Außenseite die Worte Foto, Film, Video standen. In diesem Moment wurde es geöffnet, etwas nach innen gekippt. Welcome to the Pleasure Dome. Der treibende Rhythmus schallte über den Hof.
    Thann sah nichts als die weiße Decke. Er trat zurück, soweit es die Mauern zuließen. Das Einzige, was er erspähen konnte, war eine Deckenlampe mit nackten Birnen, die an Metallzapfen hingen. Der Charme der Siebzigerjahre. Er wartete zehn Minuten, bis er zu frieren begann, doch es tat sich nichts weiter.
    Trotzig klingelte Thann noch einmal am Vorderhaus. Nichts. Er versprach dem Klingelknopf wiederzukommen.
     
    Zu Hause zwischen all den Mordbildern und Unterlagen setzte er sich ans Telefon und wählte die Privatnummer dessen, der zumindest an diesem Abend noch Chef des Polizeipräsidiums war.
    »Kurz.« Es war eine Frauenstimme.
    »Kriminaloberkommissar Thann. Kann ich bitte Herrn Hans-Werner Kurz sprechen?«
    »Mein Mann ist nicht da.«
    »Und morgen?«
    »Worum geht es?«
    »Ich ermittle im Mordfall Günther Eich. Das ist der Tote, den man auf der Deponie gefunden hat. Der war wiederum der Mörder von Anna Korfmacher. Wir haben Anhaltspunkte, dass beide Morde zusammenhängen und der Schlüssel dazu möglicherweise bei den Kindern der Frau Korfmacher liegt. Wir sind im jetzigen Stand der Ermittlungen froh um jeden Hinweis und würden auch gern Ihren Mann dazu befragen.«
    »Das wird nicht gehen. Wie Sie vielleicht gehört haben, hat er einen neuen Herzanfall erlitten und liegt zur Beobachtung in der Klinik. Ich muss Sie also enttäuschen.«
    »Dann lassen Sie uns darüber sprechen. Würde es Ihnen morgen Abend passen?«
    »Ich glaube nicht, dass ich Ihnen irgendetwas erzählen kann, was Ihnen weiterhilft.«
    »Die besten Zeugen wissen manchmal nicht, wie wertvoll ihre Erinnerungen sind, Frau Kurz.«
    »Na gut, aber nicht vor halb acht. Zuvor bin ich in der Klinik.«
    Thann wünschte ihrem Mann gute Besserung.
     
     
    24.
     
    Eine vertraute Frauenstimme meldete sich.
    »Thann.«
    Der Gedanke an Weihnachten hatte den an seine Mutter fast zwangsläufig zur Folge. Er hatte ein schlechtes Gewissen, dass er gestern früh so schroff zu ihr gewesen war. Wie schroff, daran konnte er sich nicht mehr erinnern.
    »Hier auch.« Nie hatte er sich anders gemeldet, wenn er seine Mutter anrief.
    »Ach, Karl. Schön, dass du anrufst. Ich hab' auch gerade an dich gedacht. Zu Weihnachten kommst du doch, nicht wahr?«
    »Natürlich, Mama. Was wünschst du dir eigentlich?«
    »Nichts. Nur, dass du kommst.« Nie hatte sie anders auf diese Frage geantwortet.
    Seine Mutter wohnte eine gute Autostunde entfernt, zwischen Hügeln und Wäldern inmitten frischer Luft am Rande eines kleinen Dorfes. Dorthin war sie mit ihrem Mann gezogen, als dieser pensioniert worden war. Von dem, was die Lebensversicherung ihnen ausbezahlte, hatten sie ein Häuschen gekauft. Bei Renovierungsarbeiten hatte der alte Thann kurz darauf einen dummen, aber tödlichen Unfall gehabt. Das war vor zwei Jahren gewesen. Gudrun Thann war erst fünfzig. Sie reiste viel, doch wenn sie zu Hause war, fühlte sie sich meist einsam. Dennoch kam er höchstens einmal im Monat zu ihr ins Dorf und selten länger als einen Tag. Auch für Weihnachten wollte er ihr keinen längeren Besuch zusagen, solange er seinen Fall noch nicht gelöst hatte. Seine Mutter beschwerte sich nicht.
    Spätestens am zweiten Tag würde sie ihn fragen, wann er sich denn eine Frau suchen und eine Familie gründen wolle. Dieses Thema war Thann lästig. Er wollte sich nicht drängen lassen. Sie gab ihm die Schuld an der Trennung von Corinna. Sie wollte eine Schwiegertochter und Enkelkinder. Jedes Mal fing sie damit an.
    Einmal hatte sie ihm vorgeworfen, er würde immer schrulliger werden und deshalb niemals eine Lebensgefährtin finden. Daraufhin hatte er sich in ihrem Beisein betrunken und war am nächsten Tag ohne Frühstück und Abschiedswort abgefahren. Seitdem hatte er nicht mehr in ihrem Häuschen übernachtet.
    Sie fragte ihn ein zweites Mal, ob er nicht doch über die Feiertage bei ihr bleiben wolle. Er erzählte von dem Mordfall Eich und vom damit zusammenhängenden Mordfall Anna Korfmacher. Und log: Sein Chef erwarte von ihm die rasche Aufklärung des Falls. Daraufhin schwieg sie.
     
    Als Thann im Bett lag, musste er an Günther Eichs Mutter denken und an deren Verbitterung, als sie von ihrem Sohn gesprochen hatte. Dann überlegte er, wie Anna Korfmacher

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