Annas Erbe
Mordopfers. Sie erkannte den Mann, der sich am Montag letzter Woche nach Udo Korfmachers Album erkundigt hatte.
Auf der Rückfahrt resümierte Thann. Ja, es gab das Album. Mit dieser Information war Eich zu Korfmacher gefahren. Der hatte abgestritten, es zu besitzen. Daraufhin hatten sie sich geprügelt. Udo Korfmachers Zahnlücke war das Ergebnis dieses Zusammenstoßes. Eich wollte sich danach das Album per Einbruch aneignen. Hatte er es bekommen? Wenn ja, hatte möglicherweise Korfmacher den Einbruch in der Goethestraße begangen, um es Eich wieder abzujagen. Die paar Fotos schienen verdammt wichtig zu sein.
33.
Auf seinem Schreibtisch im Präsidium lag ein Zettel. Thann las: »Bitte melden Sie sich bei mir, sobald Sie eintreffen. Dienstag, 8:30 Uhr, Hauptkommissar Fröhlich.« Vor drei Stunden geschrieben. Er konnte sich denken, was der Dicke von ihm wollte. Doch es gab Wichtigeres, als dem Schmuddelkram aus der Oase nachzugehen.
Der Linoleumboden knarrte unter seinen Schuhen. Links lagen hinter weiß lackierten Türen die Büros, rechts sah er durch Sprossenfenster auf den Hof und die parkenden Autos. In diesem Moment stieg Bollmann aus einem Streifenwagen, winkte dem Fahrer zu und lief zu einem der Festungseingänge. Harald im Glück. Thann beschleunigte seinen Schritt und hoffte, Bollmann nicht über den Weg zu laufen.
Thann erreichte das Treppenhaus mit seiner weit ausholenden Wendeltreppe. Fast wäre er mit zwei Beamten zusammengestoßen.
Es waren Schneider und Dalla.
»He, Thann! Bist du auf der Flucht oder arbeitest du immer in dem Tempo?«
Frau Singelstein, Eichs Nachbarin: Uns hat doch niemand gefragt. Bollmann war vergessen.
»Was macht der Deponiemord?«
Die beiden sahen sich an und schienen belustigt.
»Steht kurz vor der Aufklärung«, sagte Schneider.
»Fendrich macht das ganz gut«, erklärte Dalla. Ein Seitenhieb gegen Thann.
»Und wer war's?«
Schneider und Dalla strebten bereits auf die Treppe zu und drehten sich noch einmal um. »Die Knastmafia. Irgendein Racheakt. Glücksspiel, Drogen oder so. Ich hoffe, du bist darüber hinweggekommen. Bis bald!«
Sie verschwanden nach oben. Thann bezweifelte, dass Fendrich mit Eifer bei der Sache war. Und Bollmann schien ohnehin anderes im Kopf zu haben als die Aufklärung eines Mordes an einem Haftentlassenen.
Im gegenüberliegenden Flügel war es das gleiche Linoleum und der gleiche rissige Lack an den Türen. Ein Schild: Knut Fröhlich, Leiter Kommissariat II.
»Es geht nicht, dass Sie losgehen und arbeiten oder nicht arbeiten, ohne dass Sie sich abmelden. Sie haben gestern Morgen das Präsidium verlassen und kommen heute gegen Mittag wieder rein, ohne dass Sie jemandem Bescheid gesagt haben, wo Sie erreichbar sind oder was Sie überhaupt tun. Verdammt noch mal! So geht das nicht, Thann!«
Hauptkommissar Fröhlichs Ton entsprach diesmal überhaupt nicht seinem Namen.
»Wir sind hier eine Arbeitsgruppe. Wir arbeiten zusammen an einem Ziel. Da geht es nicht, dass jemand ausschert und keiner weiß, was der Mann tut. Auch nicht, wenn er aus dem K1 kommt. Nur gemeinsam können wir arbeiten. Im Team, verstehen Sie mich?«
Fröhlich nahm seine Brille ab und putzte sie mit kleinen, hektischen Bewegungen.
»Ich verlange deshalb von Ihnen einen detaillierten Bericht darüber, was Sie in den letzten 24 Stunden getrieben haben. Und in Zukunft machen Sie keinen Schritt mehr, ohne dass ich oder ein Kollege davon weiß. Sonst muss ich dem Kripochef Meldung machen. Verstanden?«
Der Dicke setzte seine Brille auf, wuchtete den Körper aus dem Stuhl, bewegte sich um seinen Schreibtisch und ging ans Fenster. Pause. Thann ließ einige Zeit verstreichen, bevor er antwortete. Er bemühte sich, ruhig und gelassen zu erscheinen.
»Ich verstehe Sie gut. Aber ich werde mich nicht an Ihre Regeln halten. Ich biete Ihnen einen Handel an. Sie fragen mich nicht, was ich den Tag über tue. Dafür nenne ich Ihnen morgen Abend das Studio, in dem die Tierpornos gedreht wurden. Und den Namen des Besitzers. Morgen Abend. Einverstanden?«
Verdutzt fragte der Sittenchef: »Wo ist das Band denn produziert worden?«
Thann schüttelte den Kopf. »Morgen Abend, Herr Fröhlich.«
Fröhlich sah Thann lange an. Er fuhr mit seinen fleischigen Händen durch die grauen Schläfen. Dann streckte er sie beschwörend gegen die Decke.
»Das gibt's doch nicht. Ich weiß nicht, was Sie im Schilde führen. Mein lieber Thann. Wenn Sie es jetzt schon wissen, dann
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