Anne - 02 - Anne - 02 - Anne und Jess, der Weg ins Glück
habe.
„Was denn? Welche Zeitung? Davon ahnte ich nichts. Gott im Himmel, lohnt es sich, wegen einer Zeitung Krach zu schlagen? Die können Sie doch an jedem Zeitungsstand kaufen!“
„Persönliche Post ist und bleibt persönliche Post“, sagte Anne. „Diese Zeitung ist an mich geschickt worden, und ich fand sie auf Ihrem Zeitungstisch.“
„Dann hat Thomas vielleicht reingeguckt oder eine von den Mädels“, sagte Frau Langelie. „Es ist doch wohl keine Todsünde, sich eine Zeitung anzugucken, wenn sie kommt. Wenn Sie danach gefragt hätten, dann wär’s den Kindern wohl eingefallen, und sie hätten sie abgeliefert.“
Anne schrieb sofort an Jess, er solle die Post an das Schuhgeschäft Chic adressieren und immer donnerstags schreiben, damit der Brief am Freitag da wäre.
„Hier im Hause nehmen die Kinder gewöhnlich die Post entgegen, und ich bin immer bange, sie verkrümeln sie“, gab sie als Erklärung an.
Es war gut, daß Jess nicht wußte, wie es ihr ging.
Aber Anne fing insgeheim wieder an, die Anzeigen in den Zeitungen durchzusehen. Denn eines war ihr völlig klar: Sollte sie das schwere Examen im Sommer machen, dann mußte eine grundlegende Änderung geschaffen werden, und zwar bald.
Anne wird energisch
Als erst eins passiert war, passierte gleich alles auf einmal.
Es begann an einem Freitagmorgen. Anne hatte Staub gewischt und die Fußböden gesäubert. Nun stand sie vor der Spülwanne, und die Uhr war bald acht.
Hinter ihr ging die Tür. Sie drehte den Kopf halb zur Seite. Es war der alberne Jüngling, der Thomas, der höchst ungeniert in Pyjamas angestiegen kam. „‘morgen, Anne!“
„Guten Morgen.“ Anne unterbrach ihre Arbeit nicht.
„Du kannst mir die Hosen da bügeln, Anne.“
„Dazu habe ich keine Zeit. Ich muß in zehn Minuten in die Schule.“
„Jesses nee, du mit deiner Schule. Du kriegst auch nichts geschafft vor lauter Schule.“ Da wirbelte Anne jäh herum.
„Ich krieg nichts geschafft? Jetzt soll doch aber gleich.“
„Ach nee, ach nee, wie süß man ist, wenn man wütend ist, siehe da!“
„Hör auf mit dem Quatsch!“ sagte Anne kurz angebunden. Sie beugte sich wieder über die Wanne.
„Nimm’s nicht tragisch, du brauchst auch meine Hosen nicht zu bügeln, ich sag’s Mama nicht, daß du dich weigerst. Siehste, so nett bin ich! Du brauchst auch nichts anderes zu tun.“ Mit einemmal fühlte Anne Thomas’ Atem an ihrem Halse; ein Arm legte sich um sie und drehte ihren Kopf herum. Ehe sie sich’s versah, hatte Thomas sie geküßt.
Da platzte Anne. Und zwar gründlich. Sie hatte gerade einen nassen Wischlappen in der Hand, und der kam ihr gelegen. Ehe Thomas noch Luft holen konnte, hatte sie ihm den Lappen mitten ins Gesiebt geklatscht, und zwar mit aller Kraft.
„Du verdammtes Ferkel.“ er fauchte vor Wut.
„Mach, daß du aus der Küche kommst“, schrie Anne und stampfte mit dem Fuße auf. „Mach, daß du rauskommst, du widerwärtiger Bengel!“
In diesem Augenblick erschien Frau Langelie in der Tür.
„Darf ich fragen, was Ihnen einfällt?“
„Fragen Sie lieber Ihren Sohn, was dem einfällt!“ entgegnete Anne. Sie war so aufgebracht, daß sie kaum die Worte herausstoßen konnte.
„Thomas, mein Junge, was ist los? Wie siehst du denn aus?“
„Ach gar nichts“, murmelte Thomas.
„Doch! Wohl ist etwas los“, rief Anne. „Thomas ist angeschlichen gekommen und hat mich von hinten überfallen und mich geküßt, und dann hab ich ihm den Abwaschlappen ins Gesicht geklatscht!“
Frau Langelie biß sich auf die Lippen.
„Geh in dein Zimmer, Thomas“, sagte sie, und Thomas schlurrte hinaus.
Frau Langelie drehte sich zu Anne um:
„Sie brauchen sich doch deswegen nicht so zu haben, Fräulein Viken“, sagte sie in belehrendem Ton zu Anne. „Jugend ist Jugend, und in heutiger Zeit ist doch ein kleiner Kuß keine Sache.“
„Darüber kann man sehr verschiedener Meinung sein“, sagte Anne kurz angebunden.
„Und außerdem“, fuhr Frau Langelie fort, „außerdem glaube ich nicht, daß mein Sohn so etwas tun würde, wenn er nicht dazu ermuntert wird. Er ist sonst sehr zurückhaltend. Ich weiß jedenfalls nichts davon, daß er je zuvor - das Mädchen geküßt hätte!“
„Das Mädchen“ wurde in einem Tonfall gesagt, der das Wort zu einer Beleidigung machte.
Anne wischte die Küchenbank ab und hängte den Lappen auf.
„Man findet wirklich für alles eine Entschuldigung, wenn man will“, sagte sie schneidend und verließ die
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