Anne - 02 - Anne - 02 - Anne und Jess, der Weg ins Glück
ludst mich in eine Konditorei ein.“
„Das tue ich jetzt auch.“ Sie fanden denselben Tisch wie damals, und Jess bestellte Schokolade - wie damals.
„Zwei Tage später war Heiligabend. Was war es für ein herrlicher Abend, Jess!“
„Habe ich dir eigentlich jemals erzählt, was Mutter sagte, als du an dem Abend gegangen warst?“
„Nein?“
„Ich dürfte es natürlich gar nicht verraten, aber - ja, als ich dich nach Haus gebracht hatte und wieder zurückkam, waren Mutter und Vater zu Bett gegangen, und da riefen sie mich nochmal. Ich fragte sie, was in aller Welt sie so mitten in der Nacht von einem müden Teufel noch wollten, und da sagte Mutter: Wenn du jemals die Absicht hast, uns eine Schwiegertochter zu bringen, Jess, dann haben wir beide nichts gegen die Probe, die du uns heute gezeigt hast!“
Da mußte Anne lachen. Trotz- und alledem.
Jess blieb über Ostern in der Stadt. Er kam täglich am frühen Vormittag zu Anne, blieb entweder den ganzen Tag über bei ihr und Großmama zu Haus, oder sie zogen beide ins Freie und überließen Lore die Pflichten. Großmama war einzig. Von Übereinkünften und kostenloser Miete und was Anne sonst noch vorzubringen hatte, wollte sie nichts hören.
„Herrgott, bleiben wir doch Menschen, Kinderchen“, sagte die alte Dame. „Soll ich daliegen mit dem Blick auf die Uhr und nur daran denken, daß meine Hausangestellte dies und jenes zu tun verpflichtet ist auf Grund einer Abmachung vom fünfzehnten vorigen Monats?“ „Es war der achte Februar, Großmama.“
„Jetzt mach, daß du fortkommst, du freches Gör. Hinaus in die Sonne mit Jess! Ihr dürft zum Mittagessen wieder da sein. Der Himmel mag wissen, was Lore für uns zusammenschmurgelt. Ich habe nach den Proben, die Lore mir vorgesetzt hat, so meine Bedenken wegen des Haushaltsunterrichts in den höheren Schulen.“
„Aber Großmama - du darfst nicht vergessen, daß ich nun mal deine Hausangestellte bin, und daß...“
„Und dann wollen die alle behaupten, ich sei eigensinnig!“ stöhnte Großmama. „Jess, überlegen Sie sich’s noch einmal, heiraten Sie diesen fürchterlichen Bock lieber nicht! Raus mit euch, Kinder, wenn ich jetzt nicht meinen Willen bekomme, dann krieg ich wieder einen Anfall, und dann seid ihr schuld!“
Da blieb dann nichts weiter übrig, als nachzugeben.
Anne erholte sich. Sie hatte es nötig, ein paar Tage von der Lernerei und der ganzen übrigen Arbeit auszuspannen, und sie genoß jede Sekunde, die sie mit Jess zusammen hatte.
Eines Tages wurde sie gebeten, zu Herrn Sander heraufzukommen. Sie war eine ganze Stunde bei ihm. Auf seine Fragen antwortete sie dasselbe, was sie der Polizei gesagt hatte.
Sander war fahlgrau im Gesicht und fast nicht wiederzuerkennen. Aber er war völlig gefaßt.
Er geleitete sie hinaus. „Ich kann noch nichts sagen, Anne, ich -“ er hielt sie zurück. „Warten Sie eben mal - “, er ging zur Garderobe und holte etwas.
„Schauen Sie her, Anne. Nehmen Sie diesen mit. Britt hatte Sie so lieb, und sie würde es sicher gern gesehen haben.“ Er brach ab, nickte und schob Anne beinahe hinaus.
Die Tür fiel hinter ihr zu, und da stand sie mit Britts Nutriamantel über dem Arm.
Bei der Beerdigung setzte sie sich in der Kapelle weit zurück, um sich den neugierigen Blicken zu entziehen. Jess saß neben ihr, und seine Nähe tat ihr wohl.
Herrn Sander begrüßte sie scheu und stumm.
Frau Sander sah sie nicht.
Dann trat sie mit Jess zusammen in die Lenzsonne hinaus. Das Leben ging weiter.
Abschluß und Abschied
Jess war abgefahren.
Diesmal war der Abschied nicht so schwer. Denn jetzt wußten beide, daß sie bald wieder zusammen sein würden. In zweieinhalb Monaten war Anne mit der Schule fertig - und dann wollte sie spornstreichs nach Kopenhagen fahren.
Die einzige, die bei dem Gedanken an Annes Reise nicht recht froh war, das war die Großmama.
„Wenn du doch wenigstens eine Zwillingsschwester hättest, die dich ablösen könnte!“ seufzte Großmama.
Eine Zwillingsschwester konnte Anne nicht herbeizaubern, aber der Zufall wollte es, daß sie Großmama trotzdem helfen konnte.
Sie bekam eines Tages einen langen Brief von der Mutter - ungewöhnlich lang, denn es war die Antwort auf Annes Bericht über das Autounglück und Britts Tod.
Mutter Kristina schrieb in ihrem üblichen knappen Stil mit den kurzen Sätzen. Aber Anne kannte ihre Mutter. Sie las zwischen den Zeilen die Wärme und das Mitgefühl, das ihr aus dem Brief
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