Anne - 02 - Anne - 02 - Anne und Jess, der Weg ins Glück
Lage, sich ganz und gar selbst zu versorgen.
Noch wollte sie sich nicht entscheiden, was sie tun würde. Zu allererst mußte sie mit Jess und seinen Eltern reden und sich auch bei Mutter Kristina Rat holen.
Zunächst waren sich alle miteinander über eins einig, nämlich, daß Anne jetzt Ferien haben mußte. Es war höchste Zeit!
So nahm sie denn gerührt Abschied von der Großmama, den „vermaledeiten jungen Leuten“ und von Lore.
Mit klopfendem Herzen und blitzenden Augen ging sie an Bord des Kopenhagener Dampfers.
Glück will verdient werden
Der Sommer neigte sich seinem Ende zu.
Er war vom ersten Augenblick an wie ein Märchen gewesen. Von dem Augenblick an, als das Schiff am Kai festmachte und Anne ganz vorn an der Kaimauer Jess erspähte - Jess mit einem riesengroßen Willkommensstrauß und vom einen bis zum andern Ohre lachend!
Es war ein Märchen, zu Onkel Herluf und Eva nach Haus zu kommen. Die Heben, altbekannten Möbel und Dinge wiederzusehen. In Jess’ Zimmer einquartiert zu werden - Annes Proteste nützten nichts.
„Ich schlafe im Musikzimmer ebensogut“, sagte Jess. „Und du brauchst Ruhe und mußt ungestört sein und morgens lange schlafen und im Bett Kaffee trinken.“
„Sind wir nicht vornehm geworden - mit unserm Musikzimmer?“ lachte Eva. „Wir mußten aus der Not eine Tugend machen, wir konnten keine kleinere Wohnung finden und mußten daher eine große nehmen!“
Es war ein Märchen, mit Jess durch Kopenhagen zu schlendern. Die Museen, der Zoologische Garten, der Tiergarten und der Vergnügungspark draußen, das Tivoli, die großen Warenhäuser. Anne genoß alles mit weitoffenen Augen und vollem Herzen.
Aber das größte Erlebnis war es wohl doch, als sie mit Jess zum Juwelier ging und die Verlobungsringe kaufte.
Die Tage flogen dahin und wurden zu Wochen, und die Wochen zu Monaten.
Anne hatte mit ihren Schwiegereltern über ihre Zukunftspläne gesprochen. Sollte sie wieder nach Norwegen zurückgehen und vorläufig eine Bürostellung annehmen? Oder sollte sie eine Stellung in einem Kopenhagener Haushalt annehmen? Solchen Posten konnte sie mit Leichtigkeit finden. Da hatte sie reichliche Auswahl, und was für Posten! Zimmer mit Radio, Zimmer mit eigenem Bad, dreihundert Kronen im Monat, ab neunzehn Uhr frei. Die lockenden Versprechungen in den Zeitungsannoncen nahmen schier kein Ende.
Aber eines Tages fand sich etwas noch Verlockenderes: „Größere Firma mit Verbindungen in Norwegen sucht norwegische Korrespondentin zum 1.11. Kenntnisse in Stenografie erforderlich. Bewerberinnen mit deutschen und englischen Kenntnissen bevorzugt. Vorzustellen Montag zwischen zehn und zwölf.“ und dann die Adresse. „Anne!“ rief Jess. „Hier liegt unsere Zukunft!“ Anne las die Anzeige immer wieder. Ja, wenn diese Stellung nicht für sie gemacht war. Wenn sie sich bewarb, hatte sie ausgezeichnete Aussichten, sie zu bekommen. Sie mit ihrem „Summa cum.“ im Abitur und ihrem „Ausgezeichnet“ im Hauptzeugnis von der Höheren Handelsschule. „Ich bewerbe mich natürlich“, sagte Anne. „Zu dumm nur, daß ich bis Montag warten muß.“
An diesem Abend gab es eine lebhafte Unterhaltung in der gemütlichen Wohnstube. Und der am meisten redete, war Jess:
„Du weißt - und ihr andern wißt es auch“, begann er, „daß ich dies Jahr im Grunde gut bestanden habe. Das müßt ihr zugeben. Ich habe ein paar Sachen im Rundfunk gehabt, ich mußte oft begleiten, und die kleinen Sachen, die ich geschrieben habe, sind auch verkauft worden. Aber das beste von allem ist unsere Operette, die Weihnachten uraufgeführt wird. Nicht wahr, Vater, wir dürfen es Anne jetzt verraten, daß ich die allerbesten Aussichten für ein Stipendium habe? Gut! Also, wenn ich das Stipendium bekomme - ich bin dann allerdings verpflichtet zu reisen -, dann - dann heiraten wir, Anne! Wir heiraten im September und gehen ins Ausland. Dann kommen wir noch eben zur rechten Zeit nach Haus, daß du deine Stellung zum 1. November antreten kannst - denn es ist sonnenklar, daß du sie bekommst.“
Anne schwindelte der Kopf. Eine Reise ins Ausland mit Jess - in einem Monat heiraten - eine Stellung als norwegische Korrespondentin - ihr wurde - wirbelig vor den Augen. Sie konnte nichts erwidern.
Aber Onkel Herluf antwortete für sie:
„Ja Jess, ich habe gegen deinen Plan nichts einzuwenden. Er setzt allerdings zwei wesentliche Dinge voraus: Daß du das Stipendium bekommst, und daß Anne die Stellung erhält.“
„Aber
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