Anne - 03 - Anne - 03 - Anne, der beste Lebenskamerad
strampelte. Radfahren hatte sie lernen müssen, wenn man das nicht könne, dann sei man in Dänemark aufgeschmissen, hatte Jess im vorigen Jahre mal gesagt, als Anne auf Sommerbesuch hier war. Und Anne hatte auf stillen kleinen Seitenstraßen in Lyngby geübt, bis sie sich ganz sicher fühlte, und sich mit Todesverachtung in den Verkehr gestürzt.
„Was hast du heute vormittag erledigt?“ fragte Eva.
„Vor allen Dingen bin ich auf der Bank gewesen wegen Devisen. Was hätte ich bloß ohne Devisen machen sollen?
Ich bekomme ja auf andere Weise beim besten Willen keine Wolle aus Norwegen. Es sei denn, ich machte einen Blitzbesuch in Oslo. Mit Reisevaluta hätte ich Wolle einkaufen können. Aber das kann ich mir nun sparen. Sie sind in der Bank furchtbar nett gewesen. Verstehst du, wie es kommt, daß ich überall so nette Leute treffe?“
„Ja, denk bloß, das verstehe ich“, lächelte Eva. „Erstens sind wir Dänen nun mal ein gemütliches Völkchen, das mußt du doch zugeben?“
„Unbedingt!“ sagte Anne, den Mund voller Essen. Sie wandte den Blick nicht von der Uhr, während sie aß.
„Und dann noch etwas anderes, Anne. Tritt der Welt mit einem Lächeln entgegen, und sie wird zurücklächeln. Du bist höflich und liebenswürdig, und das regt die Menschen dazu an, ebenfalls höflich und liebenswürdig zu sein.“
„Aber Eva - es nützt einem nicht das geringste, nur höflich und liebenswürdig zu sein, wenn es sich um scharfe gesetzliche Bestimmungen handelt! Die werden ja erlassen, damit sie befolgt werden.“
„Natürlich. Aber sieh mal: Wenn du jemand sympathisch bist, da möchte der Betreffende ungern nein sagen, und dann tut er alles, was er kann, um zu versuchen, ob dein Anliegen nicht in die Grenzen des Erlaubten hineingestopft werden kann. Verstehst du? Und noch eins: Du bist anständig und hältst dich an die Sache. Du hast deine Papiere in Ordnung, und du stehst für dich selber ein. Stimmt’s?“
„Ich hoffe es - doch, ich glaube es.“
„Also - mit sauberen Papieren und einer natürlichen Höflichkeit und Liebenswürdigkeit kann man fast alles erreichen! Und jetzt hast du es also erreicht, eine Devisenzuteilung zu erhalten!“
„Ja, zum Glück. Du ahnst gar nicht, was mir für ein Stein vom Herzen gefallen ist!“
„Es ist halb zwei, Anne!“
„Ja, ich fliege. Nur noch eine Woche, Eva, dann bin ich mit meinem Kiosk fertig - und dank dir und Onkel Herluf kann ich mein Gehalt gleich noch zum Betriebskapital hinzulegen.“
„Ja; du findest es offenbar rührend, daß ich dir nicht nach jeder Mahlzeit eine Rechnung vorlege? Karbonade vier Kronen, Fruchtsalat drei Kronen.“
„- zuzüglich Steuer und Bedienung“, sagte Anne lachend. „Addio, Schwiegermamadrache, ich stürze weg. Wenn du ganz lieb bist, dann bringe ich dir eine Tüte Honigbonbons mit!“
Dann schwang sich Anne aufs Rad und rollte davon. Und die Gedanken schnurrten in ihr um die Wette mit den Rädern.
Es gab unendlich viel, was erledigt werden mußte. In vierzehn Tagen werde der Raum frei gemacht, hatte man ihr im „Wochenblatt der Dame“ versprochen. Das Schaufenster sei allerdings noch bis zum zwanzigsten Oktober durch die preisgekrönten Strickereien besetzt - aber darüber war Anne nicht im geringsten böse. Denn mitten in dem Fenster prangte ihr eigenes Kleid mit einem Riesenschild daran: 1. Preis: Frau Anne Daell.
Oh, was für eine Reklame! Was für eine Reklame! Aber hinter dem Schaufenster konnte sie in etwa vierzehn Tagen schon mit der Arbeit beginnen. Der Raum mußte tapeziert werden - aber damit hatte Eva ihr zu helfen versprochen. Sie mußten die Handwerker, soweit es irgend ging, sparen. „Wo ich doch das ganze Eßzimmer selbst tapeziert habe!“ sagte Eva. „Das heißt, Jess hat mir ja ein bißchen geholfen, aber wir werden auch ohne ihn auskommen.“
Eva kramte unter ihren Sachen auf dem Boden und fand einen alten Notenschrank. Und als Anne eines Tages nach Hause kam, stand der Schrank hübsch frisch lackiert da und wartete auf sie. Es war ein Rollschrank mit einer Reihe kleiner, ausziehbarer Schubfächer und sehr praktisch.
„Bitte, der ist für die Strickmuster“, sagte Eva, und Anne war selig.
Aber sie brauchte auch einen Ladentisch. Am liebsten einen Tischschrank, rundherum aus Glas, dann wäre nämlich gleichzeitig das Problem mit der Auslage im Laden selbst gelöst.
Wenn sie bloß bald die Wolle bekäme! Dann könnte sie die Tanten mit dem Stricken in Betrieb setzen - Tante
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