Anne - 03 - Anne - 03 - Anne, der beste Lebenskamerad
etwa, ich nicht?“ sagte Jess.
Der Mann mit der Mappe
In der kleinen Wohnung in Lyngby herrschte eine lebhafte, glückliche Emsigkeit. Alle hatten Verabredungen und unternahmen etwas, alle hingen am Glockenstrang, alle hatten sich gegenseitig einen Bescheid zu geben.
„Muttchen, ich weiß nicht, wie lange die Probe dauern wird, du darfst heute nicht mit dem Essen auf mich warten! - Eva, ich werde wohl heute zum Zoll gehen müssen, das Paket mit Wolle aus Möwenbucht abholen, und außerdem muß ich den Tanten eine Unmenge neuer Entwürfe bringen - nein, zum Lunch kann ich unmöglich zurück sein, leider nicht, ich esse eine Kleinigkeit in der Stadt.“
„- in der stillen Hoffnung, daß ich um die Zeit auch gerade Pause habe, du Strick“, lachte Jess.
„Frauchen, du hast doch daran gedacht, einen Blick auf meine steifen Hemden zu werfen, ja? Und einen Extrakragen bitte, ich schwitze so infam bei dem Brahmskonzert, da möchte ich in der Pause ganz gern den Kragen wechseln.“
Alles kam auf einmal. Onkel Herluf, der in dem großen Symphonieorchester erster Konzertmeister war, hatte ein großes und schwieriges Programm zu bewältigen - das Orchester hatte einen neuen Dirigenten, der „langsam, aber sicher das Leben aus uns herauspreßt“, sagte Onkel Herluf. Anne flog vom Zoll zur Bank, von der Schilderfabrik zur Handelskammer - und Jess probte mit seiner Sängerin und probte für seine Rundfunkaufnahmen.
Aber alles war schön, alles machte Spaß - man fühlte, daß man lebte, daß man mit beiden Beinen mitten in dem reichen, pochenden, pulsierenden Leben stand.
Und Eva ging daheim umher und hielt in gewissem Sinne alle Fäden in ihren kleinen Händen. Sie war es, bei der sie Rat suchten, sie war es, die im Kleinen wie im Großen helfen mußte, sie war es, die als erste alle Sorgen erfuhr und an allen Freuden teilnehmen durfte. Und sie war es, die mit unwahrscheinlicher Spannkraft jederzeit dafür sorgte, daß warmes und wohlschmeckendes Essen auf dem Tisch stand, wenn ein müder und hungriger Mann, Sohn oder Schwiegertochter plötzlich auf der Bildfläche erschien.
Eva kostete es aus, daß sie für „ihre drei“ sorgen durfte, und war unbeschreiblich glücklich, wenn sie alle abends, nach dem unruhigen Arbeitstag, um sich versammelt hatte.
Jess legte ein glühendes Interesse für die Zukunftspläne seiner Frau an den Tag und wurde es nie müde, ihr gute Ratschläge zu geben. „Das wenige, was ich weiß“, sagte er mit ungewohnter und erstaunlicher Bescheidenheit.
„Hast du etwas Platz an der Wand?“ fragte er eines Tages.
„Ja-a - ich will zwar ein paar Reklameschilder aufhängen, aber deswegen bleibt doch eine ganze Menge Platz.“
„Dann weiß ich was! Ich lass’ ein paar Vergrößerungen von dem wunderschönen Bild mit Mutter Kristina am Spinnrad machen - das mit dem Sonnenstrahl durchs Fenster, und Maunz auf dem Fensterbrett, weißt du - es ist die beste Aufnahme, die ich je gemacht habe! Und dann eins von dir mit dem Strickzeug - und dann das mit München in ihrer neuen Jacke, was ich auf dem Hofplatz in Möwenbucht aufgenommen habe, du weißt doch - und die drei Bilder hängen wir in der genannten Reihenfolge auf! Und dann ein Schild unter dem ersten: Handgesponnene -Gedankenstrich - und dann kommst du - handgestrickte - Gedankenstrich - und dann unter Muttchen - norwegische Jacke!“
Gesagt, getan. Jess brachte die Filme zum Fotografen. Gegen die schwachen Proteste der Mutter, als Fotomodell auftreten zu müssen, stellte er sich taub.
„Wo du so reizend und jung aussiehst, mußt du es dir schon gefallen lassen“, lachte Anne, und Eva wäre keine Frau gewesen, wenn sie sich durch diese Begründung nicht hätte erweichen lassen!
Dann setzte sich Jess eines Abends mit Tusche und Plakatpappe hin.
„Ich bin im Zeichnen nicht so ganz unbegabt wie du“, erklärte er seiner Frau. „Es muß doch Spaß machen, es mal zu versuchen.“
Er zeichnete, daß die Tusche nur so spritzte, und ehe der Abend um war, hatte er nach Annes Anweisung einen ganz annehmbaren Entwurf für das Warenzeichen zustande gebracht. Und dann hatte er mit viel Fleiß und Mühe Plakate gemalt, die drinnen im Laden aufgehängt werden sollten:
Bestellungen auf Jacken aus handgesponnener, naturfarbener Wolle in eigens gezeichneten Mustern werden entgegengenommen. Ein kleines Schild sollte im Fenster aufgestellt werden:
English spoken. - Man spricht deutsch. - On parle français. Wieder einige Kronen gespart! Und
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