Anne - 03 - Anne - 03 - Anne, der beste Lebenskamerad
Wohnungstür geschellt.
„Wenn es der Junge vom Schlachter ist: das Fleisch ist bezahlt!“ rief Eva hinter ihr her.
Draußen stand ein sonderbarer Schlachterjunge. Denn kaum daß die Tür geöffnet wurde, da legte sich eine lange, schlanke Hand blitzschnell auf Annes Mund - und ihr Freudenschrei wurde im Keim erstickt.
„Pscht, Anne - keinen Mucks - ich will Mutterchen überraschen.“
Sie stand dicht bei der Wohnungstür, fest, fest von Jess umschlungen - und seine Lippen fanden die ihren in einem langen Kuß.
„Jess - Jess - ich kann es gar nicht glauben, daß du es wirklich bist.“ Anne flüsterte es zwischen zwei Küssen.
„Und trotzdem küßt du mich?“ flüsterte Jess zurück. Er stellte geräuschlos den Koffer aus der Hand und streifte den Mantel ab.
„Warte“, flüsterte Anne. Sie strich sich das Haar glatt und ging wieder hinein.
„Der Schlachterjunge will durchaus selber mit dir reden, Eva.“
„Ach je“, sagte Eva. „Dann haben sie sicher doch keinen Kalbsbraten gehabt - ja, ich komme.“
Sie erhob sich - und setzte sich prompt wieder hin. Denn in der Tür stand der, von dem ihrer aller Gedanken angefüllt waren, der, von dem sie gerade gesprochen - und den sie so schmerzlich vermißt hatten.
„Mein einziger Junge - mein einziger, einziger Junge.“ Es dauerte lange, bis Jess dazu kam, sein Hiersein zu erklären.
„Martiani hat dich also ‘rausgeworfen, kann ich mir denken“, sagte Anne.
„O nein, du, Martiani sitzt da und zählt die Stunden, bis seine jugendliche Hoffnung und sein talentvollster Schüler wieder zurückkommt.“
„Du meinst, sein bescheidenster?“ schlug Onkel Herluf vor.
„Aber wenn die Mutter fünfundvierzig wird, und wenn man sich nach seiner Frau sehnt, und wenn man plötzlich fünfhundert Kronen verdient, und wenn man als junger Student zu ermäßigtem Preis fliegen kann, und wenn es Nachtflugzeuge gibt, die nur knapp drei Stunden fliegen.“
„-----und wenn man ein bodenlos leichtsinniger junger Mann ist, der vom Wert des Geldes keine blasse Ahnung hat“, ergänzte Onkel Herluf.
„Liebes Väterchen, dein Sohn hat ein richtiggehendes, beachtliches Engagement in Kopenhagen. Hättest du heute die Morgenzeitung gelesen, dann wüßtest du es. Allerdings habe ich gehofft und drum gebetet, daß ihr dazu keine Zeit hättet. Die französische Sängerin Jeanne Jouvet, die am Samstag hier ein Konzert gibt, kann sich - klug, wie sie ist - natürlich keinen andern Klavierbegleiter denken als den hervorragenden.“
„. und bescheidenen.“ warf Onkel Herluf schmunzelnd wieder ein.
„. hervorragenden und daher nicht bescheidenen Jess Daell!“ vollendete Jess. „Ich habe Madame Jouvet begleitet, als sie ihr Programm einstudierte - ja, natürlich hat mein geliebter Maestro mir das verschafft - und jetzt will sie niemand anderen als mich für ihr Konzert haben. Habt ihr begriffen? Und außerdem habe ich es so fein eingefädelt, daß ich im Rundfunk zwei Bandaufnahmen habe -eine mit Orchester, ich soll Griegs a-Moll-Konzert spielen - und eine solo, eigene Werke, geliebte Gattin - so kommt es, daß ich hier bin. Und ich bleibe auch noch die ganze nächste Woche hier, denn ich muß doch nachsehen, was meine strickende Frau für Leichtsinnigkeiten vorhat - und am nächsten Sonntagabend kann mich eben dieselbe strickende Frau mit Tränen der Trauer zum Flugplatz begleiten.“
Es folgte eine wunderbare Woche.
Jess ging mit Anne in den „Laden“ und besichtigte ihn. Er glänzte mehr durch seine gute Lage als durch seine Größe. „Hier mußt du ja aus der Tür ‘rausgehen, wenn du dich umdrehen willst“, meinte Jess, aber Anne beschrieb ihm, wie sie ihn sich einrichten wollte, und Jess mußte zugeben, daß sie es praktisch gelöst zu haben schien. Als Anne zum Kinderhüten bestellt wurde und ablehnen wollte, sagte Jess:
„Unsinn, nimm die Bestellung ruhig an! Aber sag, daß du deinen Mann mitbringst.“
So übernahm Anne die Bestellung, und abends stand Jess dabei und sah zu, wie sie ein pummeliges Baby neu wickelte, die Flasche zurechtmachte und ein Kleines, das in einem Wagen lag, in Schlaf lullte.
Ihre Augen begegneten sich über dem Wickeltisch, wo das nackte kleine Ding vergnügt zappelte. Jess legte den Arm um Anne.
„Ja, Anne - einmal werden wir beide ja auch. aber noch nicht so ganz gleich.“
„Nein, noch nicht ganz gleich“, flüsterte Anne. „Aber dermaleinst Jess - oh, wenn du wüßtest, wie ich mich darauf freue.“
„Denkst du
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