Anne - 03 - Anne - 03 - Anne, der beste Lebenskamerad
Kind.“
„Hören Sie zu, Anne. Ich habe schließlich einige eheliche Erfahrung - und der Kluge lernt aus den Erfahrungen anderer, nicht wahr? Ich verstehe es nur zu gut, daß Sie das Verlangen haben, Ihren Jess bei der Hand zu nehmen und ihn in eine fix und fertige Wohnung zu führen und mit berechtigtem Stolz zu sagen: ,Schau hier, das habe ich ganz allein geschafft!’ Aber, Anne - tun Sie es nicht - ich rate Ihnen: tun Sie es nicht!“ Anne hörte mit großen Augen zu.
„Weshalb denn nicht?“ fragte sie, aber die Frage klang leise und zögernd, denn sie ahnte, wie die Antwort lauten würde.
„Weil Jess ein Mann ist, Anne! Es war für ihn in allen diesen Monaten bestimmt nicht leicht, daß er zu Ihrem Unterhalt nicht hat beitragen können. Er kommt sich vor wie ein junger Student, mit einer unsicheren Zukunft. Und Sie, Anne, sind in diesem halben Jahr erwachsen geworden - Sie sind verflixt tüchtig, und Jess wäre kein Mensch, wenn er nicht in der Tiefe seiner Seele einen nagenden kleinen Minderwertigkeitskomplex sitzen hätte. Soll er nun nach Hause zurückkehren und in eine Häuslichkeit geführt werden, zu der er selber nicht das Geringste beigetragen hat - verstehen Sie nicht, daß dadurch das Minderwertigkeitsgefühl an die Oberfläche rutschen kann? Es würde die Freude töten, die Sie beherrscht, es würde in Jess eine Bitterkeit aufkeimen lassen. Sind Sie mir böse, Anne, daß ich Ihnen das sage?“
„Nein. Bitte, sprechen Sie weiter!“
„Darf ich sagen, was ich an Ihrer Stelle tun würde?“
„Ja, bitte.“
Es klang so mädchenhaft hilflos, fast demütig. Die kleine, große, selbständige Anne war plötzlich ratlos und bedurfte der Hilfe eines erwachsenen und erfahrenen Menschen.
„Ich würde vielleicht die Schlafzimmermöbel kaufen - mit der Bedingung, sie tauschen zu dürfen - und ich würde meinen Mann vorsichtig fragen, ob sie ihm gefallen, sonst können Sie selbstverständlich statt dessen etwas anderes nehmen. Und ich würde ganz beiläufig eine kleine Bemerkung darüber fallenlassen, daß es nach altem Brauch Sache der Braut sei, für die Schlafzimmereinrichtung zu sorgen. Aber ich würde die Wohnung nicht zu vollständig einrichten, und - um alles in der Welt - nicht zu elegant! Und dann würde ich - ja, Sie haben zwei Zimmer, nicht wahr? - gut, dann würde ich vielleicht einen billigen kleinen Eßtisch kaufen und zwei Stühle und Gardinen - und damit Schluß! Ich würde es so machen, daß der Mann das Gefühl bekommt, die ganze Sache komme erst richtig in Schuß, wenn er da sei. Ich würde alles mit ihm durchsprechen, mit ihm beratschlagen, auf ihn hören - es ist immer klug, und in diesem Fall ist es unbedingt notwendig, gerade weil Sie bis jetzt so glänzend ohne Hilfe Ihren Mann gestanden haben.
Verstehen Sie, was ich meine, Anne?“
„Ja“, sagte Anne, und ihre Augen glänzten, „- und ob ich Sie verstehe, Frau Askelund! Und ob! Ich werde es genauso machen, wie Sie sagen - und - und - tausend, tausend Dank!“
Für Jess bleibt auch noch was zu tun
„.und dann, mein Liebster, kann ich als Letztes nur noch sagen, ich freue mich so sehr, daß mir ist, als stünde die Zeit still - ich zähle nicht mehr die Wochen, nicht die Tage - ich zähle die Stunden. Und jetzt sind es nur noch etwas über hundert Stunden, bis Du wirklich endlich kommst!
Jess - mein einziger Junge - dann muß ich Dir noch sagen, daß ich eine Überraschung für Dich habe. Etwas, worüber Du Dich ganz bestimmt sehr freuen wirst. Ich glaube, Du wirst sehr, sehr rasch merken, was es ist.
Willkommen daheim, Lieber!
Deine Anne.“
Anne trippelte auf dem Bahnsteig hin und her, immer hin und her. Oh, daß die elenden Zeiger an der Uhr auch gar nicht weiterrücken wollten. Mit denen mußte doch irgend etwas los sein -vielleicht war die Uhr stehengeblieben - nein, endlich, jetzt machte der große Zeiger einen Ruck vorwärts - und Anne trippelte wieder weiter.
„Trippeln“ konnte man ihre Gangart eigentlich nicht nennen. Sie war nicht mehr so leichtfüßig wie sonst. Sie war umfangreich geworden und schwerfällig, aber sie fühlte sich reich und stolz und glücklich, wie sie dort hin und her ging in ihrem weiten, lose herabhängenden Hänger. Endlich - endlich - endlich.
„Der Zug, von Hamburg und Paris kommend, fährt jetzt auf Gleis drei ein. Er hat Anschluß an den Zug nach Stockholm.“ Anne hörte nichts mehr. Was kümmerte sie Stockholm - für sie gab es in der ganzen Welt nur noch eins - daß
Weitere Kostenlose Bücher