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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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in der Umgebung bekannt zu machen, die Tannenwälder jenseits des Obstgartens zu erkunden und immer wieder neue Lichtungen mit wilden Kirschen, hohem Farnkraut und einzelnen Ahornbäumen und Ebereschen zu entdecken. Auch mit dem Brunnen unten in der Senke - einer eiskalten, in roten Sandstein gefassten Quelle - hatte sie schon Freundschaft geschlossen. Von riesigen Farnwedeln beschattet, sah der Brunnen aus wie eine palmumstandene Oase in der Wüste, fand Anne. Nicht weit entfernt führte eine alte Holzbrücke über den Bach, auf dessen anderer Seite sich eine Wiese mit blauen Glockenblumen und hellen Gelbsternen erstreckte. Zarte Spinnweben schimmerten wie Silberfäden zwischen den Bäumen.
    Von den Entdeckungsreisen, die sie täglich in ihrer freien Zeit unternahm, kehrte Anne stets mit leuchtenden Augen zurück und lag dann Manila und Matthew mit ausführlichen Erzählungen über ihre Erlebnisse in den Ohren. Nicht, dass Matthew sich etwa beschwert hätte! Mit einem freudigen, stummen Lächeln hörte er ihr geduldig zu. Manila wiederum ließ Anne so lange reden, bis ihr Geplauder sie zu interessieren begann; wenn sie das merkte, brachte sie Anne mit einem kurzen Tadel zum Schweigen.
    Anne spielte gerade draußen im Garten, als Mrs Rachel langsam herüberkam. Die ehrbare alte Dame hatte also Gelegenheit, die Geschichte ihrer Krankheit in allen Einzelheiten vor Marilla auszubreiten, und sie nutzte diese Gelegenheit mit solch genüsslicher Hingabe, dass Marilla sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass eine Grippe für gewisse Leute auch ihre guten Seiten hatte.
    Als sie dieses Thema erschöpfend behandelt hatte, kam Mrs Rachel endlich auf den eigentlichen Grund ihres Besuchs zu sprechen.
    »Ich habe einige erstaunliche Dinge über dich und Matthew gehört.«
    »Niemand war erstaunter als ich selbst«, erwiderte Marilla, »aber ich gewöhne mich langsam daran.«
    »Es war aber auch ein ärgerliches Missverständnis«, sagte Mrs Rachel teilnehmend. »Konntet ihr sie nicht wieder zurückschicken?«
    »Wir hätten es tun können, aber wir haben uns anders entschieden. Matthew hatte die Kleine ins Herz geschlossen, und ich muss sagen, ich habe sie mittlerweile auch lieb gewonnen - obgleich ich zugeben muss, dass sie ihre Fehler hat. Unser Leben hat sich seit ihrer Ankunft irgendwie verändert. Sie ist ein richtiger Sonnenschein.«
    Marilla hatte bereits mehr gesagt, als sie eigentlich preisgeben wollte. Mrs Rachel sah sie ernst an; abgrundtiefe Missbilligung stand auf ihrem Gesicht geschrieben.
    »Das ist eine große Verantwortung, die ihr da übernommen habt«, sagte sie finster, »zumal ihr beide überhaupt keine Erfahrung mit Kindern habt. Außerdem wisst ihr bestimmt nicht viel über diese Anne und ihre Herkunft. Man kann nie Voraussagen, wie sich so ein Kind entwickeln wird. Aber ich will dich ja nicht entmutigen, Marilla.«
    »Ich fühle mich nicht entmutigt«, antwortete Marilla trocken. »Wenn ich mich einmal zu etwas entschlossen habe, dann bleibt es auch dabei. Ich nehme an, du willst Anne kennen lernen. Ich werde sie hereinrufen.« Bald darauf kam Anne ins Haus gelaufen. Ihr Gesicht glühte noch vor Freude über ihre neuesten Entdeckungen draußen im Garten. Doch als sie die unerwartete Besucherin in der Küche sah, blieb sie überrascht an der Tür stehen. In ihrem kurzen Flanellkleid aus dem Waisenhaus, unter dem ihre Beine lang und staksig herausschauten, bot sie einen recht seltsamen Anblick. Ihre zahlreichen Sommersprossen wirkten noch auffälliger als zuvor und ihr vom Wind zerzaustes Haar sah röter aus als je zuvor.
    »Na, deiner Schönheit wegen haben sie dich bestimmt nicht ausgewählt, das ist schon mal sicher«, war Mrs Rachels erster Kommentar. Wie immer nahm sie kein Blatt vor den Mund. »Das Mädchen ist ja spindeldürr, Marilla. Komm mal her, Kind, und lass dich anschauen. Du lieber Himmel, hat man jemals so viele Sommersprossen auf einem Fleck gesehen? Und ihre Haare sind so rot wie Karotten! Komm her, hab ich gesagt!«
    Anne kam zwar her - aber nicht so, wie Mrs Rachel es wohl erwartete hatte. Mit einem Satz sprang sie quer durch die Küche und baute sich mit hochrotem Gesicht vor Mrs Rachel auf.
    »Ich hasse Sie!«, schrie Anne mit erstickter Stimme und stampfte mit dem Fuß auf den Küchenfußboden.
    »Wie können Sie sagen, ich hätte Sommersprossen und Haare wie Karotten? Was sind Sie nur für ein gemeiner, gefühlloser Mensch!«
    »Anne!«, rief Marilla bestürzt aus.
    Doch Anne war

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