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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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häuslichen Großmut für fähig, solange – wenn ich es so ausdrücken darf – solange sie einen Gegenstand dafür haben. Ich meine, solange die Frau, die sie lieben, lebt, und für sie lebt. Nur ein Privileg nehme ich für mein Geschlecht in Anspruch (und es ist kein sehr begehrenswertes, Sie müssen es uns nicht neiden), daß wir nämlich die sind, die länger lieben, wenn das Leben, oder die Hoffnung, dahin ist.«
    Sie hätte nicht gleich weitersprechen können; ihr Herz war zu voll, ihre Kehle zu sehr zugeschnürt.
    »Sie sind eine gute Seele«, sagte Captain Harville, indem er ihr warm die Hand auf den Arm legte. »Mit Ihnen läßt sich nicht streiten. – Und wenn ich an Benwick denke, schweigt meine Zunge ohnehin.«
    Hier wurde ihre Aufmerksamkeit auf die anderen gelenkt: Mrs. Croft verabschiedete sich.
    »Nun trennen sich also unsere Wege, Frederick«, sagte sie. »Ich gehe nach Hause, und du hast etwas mit deinem Freund zu erledigen. – Aber heute abend haben wir ja alle wieder das Vergnügen, bei Ihrer Soiree« (dies zu Anne gewandt). »Die Karte von Ihrer Schwester kam gestern, und soweit ich weiß, hat Frederick ebenfalls eine bekommen, auch wenn ich sie nicht gesehen habe – und du bist doch frei, nicht wahr, Frederick, genauso wie wir?«
    Captain Wentworth faltete in großer Hast einen Brief zusammen und konnte oder wollte nicht richtig antworten.
    »Ja«, sagte er, »sehr wahr; hier trennen sich unsere Wege; aber Harville und ich kommen bald nach – wenn du fertig bist, heißt das, Harville; ich bin in einer halben Minute bereit. Ich weiß, daß du nichts dagegen haben wirst, aufzubrechen. Noch eine halbe Minute, dann stehe ich dir zu Diensten.«
    Mrs. Croft ging, und Captain Wentworth, der seinen Brief inzwischen in aller Eile versiegelt hatte, war in der Tat bereit, ja etwas Gehetztes, Angespanntes umgab ihn, als könnte er den Aufbruch gar nicht erwarten. Anne wußte nicht, wie es deuten. Captain Harville entbot ihr ein liebenswürdiges »Adieu, Gott segne Sie«, aber von ihm nicht ein Wort, nicht ein Blick. Er war gegangen, ohne sie auch nur anzusehen!
    Ihr blieb freilich gerade nur Zeit, näher an den Tisch heranzutreten, an dem er geschrieben hatte, als neuerlich Schritte laut wurden; die Tür öffnete sich; er war es. Er bat um Verzeihung, aber er habe seine Handschuhe vergessen;und indem er unverzüglich hinüber zum Schreibtisch ging und sich mit dem Rücken zu Mrs. Musgrove hinstellte, zog er unter den verstreut liegenden Papierbögen einen Brief hervor, schob ihn vor Anne hin, fixierte sie einen Moment lang mit beschwörendem Blick, raffte dann seine Handschuhe an sich und war aus dem Zimmer, noch ehe Mrs. Musgrove so recht begriffen hatte, daß er darinnen war – alles binnen Sekunden!
    Der Umschwung, den diese wenigen Sekunden in Anne bewirkten, ließ sich mit Worten nicht ausdrücken. Der Brief, kaum lesbar an »Miss A. E.–« adressiert, mußte derselbe sein, den er so hastig zusammengefaltet hatte. Statt nur an Captain Benwick zu schreiben, wie sie alle dachten, hatte er auch ihr geschrieben! Vom Inhalt dieses Briefs hing alles ab, was sie sich von diesem Leben erhoffen konnte! Alles war möglich, alles eher zu ertragen als die Ungewißheit. Mrs. Musgrove hatte ein paar kleine Verrichtungen an ihrem eigenen Tisch vorzunehmen, das mußte ihr als Schutz genügen; und indem sie sich auf seinen Stuhl niedersinken ließ und sich über den Tisch beugte, genau wie er sich zum Schreiben darübergebeugt hatte, verschlangen ihre Augen die folgenden Worte:

    »Ich kann nicht noch länger schweigend zuhören. Ich muß mit solchen Mitteln zu Dir sprechen, wie sie mir zur Hand sind. Du triffst mich mitten in meine Seele. Ich bin zerrissen zwischen Qual und Hoffnung. Sage nicht, daß es zu spät ist, daß diese unschätzbaren Gefühle für immer dahin sind. Ich biete mich Dir neuerlich an, mit einem Herzen, das noch unwandelbarer Dein ist als damals vor achteinhalb Jahren, als Du es mir fast gebrochen hättest. Wie kannst Du meinen, daß Männer schneller vergessen als Frauen, daß ihre Liebe eher stirbt? Ich habe keine geliebt als nur Dich allein. Ungerecht mag ich gewesen sein, schwach und rachsüchtig war ich, aber nie unbeständig. Nur Deinetwegen bin ich in Bath. Für Dich allein denke und plane ich. – Hast Du das nicht längst
erkannt? Kann es sein, daß Du meine Wünsche nicht längst schon durchschaut hast? – Ich hätte auch diese zehn Tage nicht abgewartet, verstünde ich Deine

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