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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Gefühle zu lesen, wie Du sicherlich meine zu lesen weißt. Ich vermag kaum zu schreiben. Immerfort höre ich neue Dinge, die mich überwältigen. Du senkst Deine Stimme, aber ich kann Deine Worte verstehen, wo ein anderer längst nichts mehr unterscheiden könnte. – Wunderbares, vortreffliches Geschöpf! Du tust uns wahrlich nicht unrecht. Du weißt, daß auch Männer wahrer Hinwendung und Beständigkeit fähig sind. Glaube mir, nirgends ist sie glühender und stetiger als in
    F. W.
    Ich muß fort, ohne Gewißheit zu haben; aber ich komme hierher zurück oder folge Euch nach, sobald ich kann. Ein Wort, ein Blick schon werden ausreichen, um zu entscheiden, ob ich das Haus Deines Vaters heute abend betrete – oder niemals mehr.«

    Ein solcher Brief wollte erst einmal verkraftet sein. Eine halbe Stunde der Einsamkeit und Besinnung hätte ihr die Fassung vielleicht zurückgegeben, aber die zehn Minuten, die ungestört vergingen, bei der ganzen Unfreiheit ihrer Lage, halfen in gar keiner Weise. Jeder Augenblick brachte ihr Blut neu in Wallung. Sie wußte nicht aus noch ein vor Glück. Und ehe noch der erste Sturm der Gefühle abgeflaut war, kamen schon Charles, Mary und Henrietta herein.
    Die zwingende Notwendigkeit, so wie immer zu wirken, verursachte ihr sogleich große Bedrängnis; aber nach einer Weile ging es nicht mehr. Sie verstand kein Wort mehr, das irgendeiner sagte, und mußte Unpäßlichkeit geltend machen und sich entschuldigen. Daraufhin merkten die anderen, daß sie ganz elend aussah – waren erschrocken und besorgt –, und wollten ihr um nichts in der Welt von der Seite weichen. Es war furchtbar! Wenn sie nur einfach fortgegangen wären, so daß sie allein im Zimmer hätte bleiben können, dann wäresie bald wiederhergestellt gewesen; aber daß alle wartend um sie herumstanden, trieb sie zu solcher Verzweiflung, daß sie sagte, sie müsse nach Hause.
    »Unbedingt, meine Liebe«, rief Mrs. Musgrove, »gehen Sie nur schnell heim und pflegen Sie sich, damit Sie heute abend wieder auf dem Damm sind. Ich wünschte, Sarah wäre hier, um Sie zu verarzten, ich selbst verstehe mich ja nicht darauf. Charles, läute doch und bestell eine Chaise. Sie darf nicht zu Fuß gehen.«
    Aber eine Chaise kam nicht in Frage! Nichts schlimmer als das! Nicht die Chance zu haben, an irgendeinem Punkt ihres schweigenden, einsamen Heimwegs durch die Stadt ein Wort mit Captain Wentworth zu wechseln (denn sie war sich fast sicher, ihm zu begegnen) – der Gedanke war unerträglich. Gegen die Chaise wurde dringlich Protest erhoben; und nachdem Mrs. Musgrove, die nur an eine Sorte Krankheit denken konnte, sich durch banges Fragen vergewissert hatte, daß kein Sturz mit im Spiel war – daß Anne nicht kürzlich hingefallen war und sich den Kopf angeschlagen hatte – daß sie sich vollkommen sicher war, nicht gestürzt zu sein –, ließ sie sie ganz getrost ziehen, im Vertrauen darauf, sie am Abend wieder wohlauf zu sehen.
    Anne, ängstlich bestrebt, nur ja keine Vorsorge zu verabsäumen, überwand sich und sagte:
    »Ich fürchte, Ma’am, es könnte vielleicht ein Mißverständnis gegeben haben. Wenn Sie so gut sein und den anderen Herren noch einmal ausrichten würden, daß wir Sie heute abend vollzählig bei uns zu sehen hoffen? Ich habe Angst, daß nicht alles richtig übermittelt worden ist, und es wäre mir lieb, wenn Sie besonders Captain Harville und Captain Wentworth versichern könnten, daß wir hoffen, sie beide zu sehen.«
    »Aber meine Liebe, glauben Sie mir, das ist völlig richtig übermittelt worden. Captain Harville käme niemals auf die Idee, wegzubleiben.«
    »Meinen Sie? Aber ich beunruhige mich trotzdem, und eswäre mir so außerordentlich arg! Versprechen Sie mir, daß Sie sie erinnern, wenn Sie die beiden nachher sehen? Denn Sie sehen sie ja im Lauf des Tages bestimmt noch. Bitte versprechen Sie es.«
    »Natürlich erinnere ich sie, wenn Sie das möchten. Charles, wenn du irgendwo Captain Harville siehst, denk dran, daß du ihm Miss Annes Nachricht bestellst. Aber wirklich, meine Liebe, Sie können völlig beruhigt sein. Captain Harville plant fest zu kommen, dafür stehe ich ein; und Captain Wentworth genauso, denke ich doch.«
    Anne konnte nicht mehr tun; aber ihr Herz prophezeite ihr irgendeine dumme Verwicklung, die ihre Glückseligkeit trüben mußte. Dennoch, von Dauer würde es nicht sein. Selbst wenn er nicht am Camden Place erschien, stand es immer noch in ihrer Macht, ihm durch Captain Harville

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