Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung
der
Braut von Abydos: Gedichte von Lord Byron (1788 – 1824)
9
die Gefühle einer Emma für ihren Henry
: Die Ballade ›Henry and Emma‹ des englischen Dichters Matthew Prior (1664 – 1721) thematisiert eine hingebungsvolle Liebe zwischen Mann und Frau.
10
Kalesche
: leichter, vierrädriger Einspänner mit Klappverdeck oder ohne Verdeck
11
»schon elf mit zartem Silberklang«
: Vers aus Alexander Popes (1688 – 1744) ›The Rape of the Lock‹ (1712). In dem Eposerwacht die Figur Belinda zu ungewöhnlich später Morgenstunde. Hier handelt es sich um die ungewöhnlich späte Stunde des abendlichen Besuchs.
12
Chaise
: Gemeint ist ein sogenannter
Bath Chair
, ein dreirädriger Wagen, der als Taxi für Kurgäste diente.
13
Miss Larolles
: Eine Figur aus dem Roman ›Cecilia, or Memoirs of an Heiress‹ (1782) von Fanny Burney (1752 – 1840). Miss Larolles ist darauf bedacht, ihren Sitzplatz bei gesellschaftlichen Anlässen so zu wählen, daß sie mit einflußreichen Leuten in Kontakt kommt.
14
Landaulett
: leichter Reisewagen mit halb zusammenklappbarem Verdeck
NACHWORT
Auf den Tag genau ein Jahr vor ihrem Tod, am 18. Juli 1816, setzte Jane Austen das Wort
Finis
unter das Manuskript ihres letzten vollendeten Romans ›Persuasion‹. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade einmal 41 Jahre alt – 42, als sie starb. »Voller Leben«, »ununterdrückbar« und »begabt mit einer vitalen Erfindungsgabe«, wie Virginia Woolf sie charakterisiert, hätte Austen sicher mehr geschrieben, hätte sie länger gelebt. Ihren letzten Roman liest man daher beinahe unweigerlich im Lichte ihrer ungeschriebenen Werke: Man fragt sich, wie diese wohl ausgesehen hätten, man durchsucht ›Persuasion‹ nach Neuerungen, die richtungsweisend erscheinen.
Und man wird schnell fündig – freilich innerhalb des Rahmens, den Jane Austen mit ihren vorangegangenen Werken selbst gesteckt hat. Denn sie wollte nie literarische Umstürzlerin sein, wollte keine neue Art der Poetik schaffen wie die erste Generation der englischen Romantiker – Coleridge, Wordsworth, Blake, Byron –, deren Zeitgenossin sie doch war. Ihr Schreiben situiert sich vielmehr in Traditionen, die auf das 18. Jahrhundert zurückgehen. Daher ist ›Persuasion‹ wie alle Romane Jane Austens eine Liebesgeschichte mit
happy ending
, die die von Samuel Richardson geprägte Form der
sentimental novel
fortschreibt; ›Persuasion‹ ist, wie alle Austenschen Werke, ein komischer Roman, in dem die Einflüsse der
comedy of manners
des 18. Jahrhunderts spürbar sind, etwa in den auf eine Manie, einen Tick reduzierten Figuren; wie schon ›Verstand und Gefühl‹ und ›Stolz und Vorurteil‹trägt auch dieser Roman einen abstrakten Begriff aus der Welt moralischer Wertvorstellungen im Titel und knüpft damit an die gesellschaftlich-literarische Tradition der
conduct books
und
conduct novels
an. Diese im 18. Jahrhundert äußerst populäre Gattung von Erziehungstraktaten beziehungsweise didaktischen Erzählungen sucht geschlechtsspezifisch korrektes Verhalten zu definieren.
Schon wieder also eine Liebesgeschichte, schon wieder ein komischer Roman, schon wieder ein
conduct-book- hafter
Fokus auf moralisch korrektem Verhalten? Ja, und doch: nein. Vielleicht war die 41jährige Jane Austen tatsächlich, wie Virginia Woolf mutmaßt, ein wenig gelangweilt von den literarischen Formen, die sie selbst zu solcher Perfektion gebracht hatte. Fest steht auf jeden Fall, daß sie in ›Persuasion‹ mit diesen Formen spielt, ihnen ein neues Gesicht gibt.
So macht sie aus der Liebeshandlung, die ihr immerhin fünfmal als Gerüst eines ganzen Romans diente, eine quasi zur Miniatur verkürzte Rückblende und gibt sie ihrer Protagonistin Anne Elliot als Vorgeschichte mit. Kapitel IV (Band 1) zeigt Anne acht Jahre vor dem tatsächlichen Handlungsbeginn als eine typische Austensche Heldin. Sie ist jung, steht an der Schwelle ihres (instabilen) Elternhauses, sie verliebt sich, der Verbindung mit dem geliebten Mann stellen sich Hindernisse entgegen, sie muß eine schwerwiegende moralische Entscheidung fällen. Untypisch ist nur der Ausgang ihrer Geschichte: Obwohl Annes Entscheidung nicht moralisch falsch ist, wird sie nicht belohnt. Anne bleibt unverheiratet und gewinnt weder den richtigen Partner noch einen neuen, sinnhaften Platz in der Gesellschaft. Im Gegensatz zu anderen Heldinnen Jane Austens durchläuft Anne den Lernprozeß nicht, um richtig entscheiden zu können, sondern sie lernt ihre
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