Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
Vom Netzwerk:
aber danach bin ich nicht einen Tag aus dem Lot. Das einzige Mal, daß ich wirklich gelitten habe an Körper und Seele, das einzige Mal, daß ich mich krank oder in Gefahr glaubte, war der Winter, in dem ich allein in Deal saß, während der Admiral (
Captain
Croft damals noch) die Nordsee befuhr. Damals hatte ich fortwährende Angstzustände und eingebildete Beschwerden aller Art, einfach weil ich nicht wußte, was ich mit mir anfangen sollte oder wann ich wieder von ihm hören würde; aber solange wir zusammen sein konnten, hat mich nie etwas geplagt, und ich habe nie die kleinste Unannehmlichkeit erlebt.«
    »O ja, wie wahr. – In der Tat, ich bin ganz Ihrer Meinung, Mrs. Croft«, war Mrs. Musgroves tiefempfundene Antwort. »Nichts ist so schlimm wie Getrenntsein. Doch, ich bin voll und ganz Ihrer Meinung.
Ich
weiß, wovon ich rede, denn Mr. Musgrove muß immer zu den Assisen 5 reisen, und ich bin jedesmal so erleichtert, wenn sie vorbei sind und er wieder heil zu Hause ankommt.«
    Der Abend endete mit Tanz. Sowie der Vorschlag lautwurde, bot Anne wie gewohnt ihre Dienste an, und auch wenn sich ihre Augen manchmal mit Tränen füllten, während sie am Klavier saß, war sie doch mehr als dankbar um die Beschäftigung und begehrte nichts zum Lohn, als unbeobachtet zu sein.
    Es war eine fröhliche, ausgelassene Runde, und niemand schien froher gelaunt als Captain Wentworth. Sie fand, er habe allen Grund zum Beschwingtsein, so wie er allseits umschwärmt und angehimmelt wurde, ganz besonders von den jungen Damen. Die Miss Hayters, die Kusinen aus der bereits erwähnten Familie, hatten offenbar Einlaß gefunden in den Ehrenkreis derer, die in ihn verliebt sein durften; und was Henrietta und Louisa betraf, so schienen sie beide so vollkommen erfüllt von ihm, daß nichts als der anhaltende Eindruck ungetrübten Einvernehmens zwischen ihnen glaubhaft machen konnte, daß sie keine erklärten Rivalinnen waren. Wenn ihm eine so ausnahmslose, so ungebremste Anbetung ein wenig zu Kopfe stieg, wen konnte es wundern?
    Solche und andere Gedanken gingen Anne durch den Sinn, während ihre Finger mechanisch ihre Arbeit verrichteten, eine volle halbe Stunde lang, ohne Fehler, aber auch ohne Bewußtsein für das, was sie tat.
Einmal
spürte sie seinen Blick auf sich – wahrscheinlich betrachtete er ihre veränderten Züge, suchte darin nach den Trümmern des Antlitzes, das ihn damals bezaubert hatte; und
einmal
wußte sie, daß er über sie gesprochen haben mußte; – es wurde ihr erst bewußt, als sie die Antwort hörte; dann aber war ihr klar, daß er seine Partnerin gefragt hatte, ob Miss Elliot denn gar nicht tanze. »O nein, nie«, lautete die Antwort, »sie hat das Tanzen ganz aufgegeben. Sie spielt lieber. Sie wird nie müde zu spielen.« Einmal sprach er sogar mit ihr. Der Tanz war zu Ende, sie hatte ihren Posten am Klavier verlassen, und er hatte daran Platz genommen, um eine Melodie zu klimpern, von der er den Miss Musgroves gern eine Ahnung vermitteln wollte. Unabsichtlich kehrte sie in diesen Teil des Zimmerszurück; er sah sie, erhob sich auf der Stelle und sagte ausgesucht höflich:
    »Ich bitte um Verzeihung, Madam, das ist Ihr Platz »; und obgleich sie sofort mit entschiedener Verneinung den Rückzug antrat, konnte er nicht dazu gebracht werden, sich wieder zu setzen.
    Anne hatte keinen Bedarf an noch weiteren solcher Blicke und Reden. Seine kalte Höflichkeit, seine steife Liebenswürdigkeit waren schlimmer als alles andere.

KAPITEL IX
    Captain Wentworth konnte Kellynch als sein Zuhause betrachten, so lange es ihm gefiel, denn dem Admiral war er gerade so als Bruder willkommen wie seiner Frau. Er hatte die Absicht gehabt, recht bald weiter nach Shropshire zu reisen, um den Bruder zu besuchen, der dort lebte, doch die Lockungen in Uppercross ließen ihn von diesem Plan abkommen. Es war ein so freundlicher, so schmeichelhafter, so durch und durch herzgewinnender Empfang, der ihm dort zuteil wurde; die Alten waren so gastlich, die Jungen so charmant, daß er gar nicht anders konnte als bleiben, wo er war, und all die Reize und Tugenden von Edwards Frau noch ein Weilchen länger dahingestellt sein lassen.
    Bald kam er fast täglich nach Uppercross. Die Musgroves konnten ihre Einladungen kaum bereitwilliger aussprechen, als er ihnen Folge leistete, besonders vormittags, wenn er daheim sich selbst überlassen war, denn der Admiral und Mrs. Croft verbrachten die erste Tageshälfte für gewöhnlich damit, sich gemeinsam

Weitere Kostenlose Bücher