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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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brauchte – noch ärger als ich. Er hatte eine Frau. – Ein vorzüglicher Mann! Ich werde nie vergessen, wie glücklich er war. Er empfand es alles doppelt stark, um ihretwillen.– Wie habe ich ihn herbeigewünscht, als ich im Sommer darauf im Mittelmeer wieder genau das gleiche Glück hatte.«
    »Und ich kann nur sagen, Sir«, sagte Mrs. Musgrove, »es war ein Glück für
uns
, daß Sie Kapitän auf diesem Schiff wurden.
Wir
werden Ihnen nie vergessen, was Sie getan haben.«
    Sie sprach ganz leise vor Ergriffenheit, und Captain Wentworth,der nicht alles verstanden hatte und der mit seinen Gedanken wahrscheinlich überall eher war als bei Dick Musgrove, sah etwas ratlos drein und schien auf mehr zu warten.
    »Mein Bruder«, flüsterte eins der Mädchen, »Mama denkt an den armen Richard.«
    »Der arme liebe Junge!« fuhr Mrs. Musgrove fort, »er war so zuverlässig geworden in Ihrer Obhut, und ein so tüchtiger Briefeschreiber! Ach! wie schön wäre es gewesen, wenn er nie von Ihnen weggegangen wäre. Glauben Sie mir, Captain Wentworth, es tut uns in der Seele weh, daß er nicht bei Ihnen geblieben ist.«
    Ganz flüchtig trat in Captain Wentworths Gesicht während dieser Rede ein Ausdruck – so ein gewisser Blick in seinen klaren Augen, ein gewisser Zug um seinen gutgeschnittenen Mund –, der Anne davon überzeugte, daß er Mrs. Musgroves fromme Wünsche hinsichtlich ihres Sohnes keineswegs teilte, sondern im Gegenteil einiges daran gesetzt hatte, ihn loszuwerden; aber so kurz nur gönnte er sich diese stumme Erheiterung, daß niemand es bemerken konnte, der ihn weniger gut kannte als sie; im nächsten Moment war er vollkommen gesammelt und ernst, und nur Augenblicke später kam er zu dem Sofa, auf dem sie und Mrs. Musgrove saßen, nahm neben letzterer Platz und begann mit gedämpfter Stimme mit ihr über ihren Sohn zu sprechen, mit einer Anteilnahme und einem Herzenstakt, die liebenswürdigste Rücksicht auf alles bewiesen, was an den Gefühlen der Mutter echt und ungrotesk war.
    Sie saß auf ein- und demselben Sofa mit ihm – denn Mrs. Musgrove war bereitwilligst für ihn zur Seite gerückt; nichts trennte sie mehr als Mrs. Musgrove. Es war indes keine unbeachtliche Barriere. Mrs. Musgrove war von behaglicher, handfester Statur, von der Natur ungleich besser dafür ausgestattet, Frohsinn und Aufgeräumtheit zu verbreiten als Wehmut und Rührseligkeit; und während so jedwede Regung in Annes schmaler Gestalt und nachdenklichen Gesichtszügenals bestens verdeckt betrachtet werden darf, gebührte Captain Wentworth einiges Lob für die Beherrschtheit, mit der er ihren schweren, satten Seufzern über das Schicksal eines Sohnes lauschte, um den sich zu Lebzeiten keiner geschert hatte.
    Körperumfang und Herzeleid stehen mitnichten in einem festgeschriebenen Verhältnis. Ein großer, dicker Leib hat ebensoviel Anspruch auf ein gebrochenes Herz wie das anmutigste Figürchen auf Gottes Erdboden. Dennoch, ob gerecht oder nicht gerecht, es gibt unkleidsame Kombinationen, die der Verstand vergebens in Schutz nimmt – die der Geschmack verdammen muß – deren Los die Lächerlichkeit ist.
    Der Admiral, der mit den Händen auf dem Rücken einen kleinen Erholungsspaziergang durchs Zimmer unternommen hatte, blieb nun, von seiner Frau zur Ordnung gerufen, vor Captain Wentworth stehen, und ohne danach zu fragen, in was er da möglicherweise hineinplatzte, ganz mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, begann er:
    »Wenn du im Frühjahr in Lissabon eine Woche später ausgelaufen wärst, Frederick, hättest du die Ehre haben können, Lady Mary Grierson und ihre Töchter mitzunehmen.«
    »Tatsächlich? Dann bin ich froh, daß ich nicht eine Woche später ausgelaufen bin.«
    Der Admiral schalt ihn für seine Ungalantheit. Er verteidigte sich, blieb aber dabei, daß keine Dame jemals willige Aufnahme auf einem Schiff unter seinem Kommando finden würde, es sei denn für einen Ball oder einen Besuch, der auf einige wenige Stunden begrenzt war.
    »Aber ich bestehe darauf«, sagte er, »daß dahinter kein Mangel an Galanterie steckt. Ganz im Gegenteil, ich weiß einfach, daß sich an Bord trotz aller Bemühungen und trotz aller Opfer nie alles so einrichten läßt, wie eine Frau es erwarten kann. Man wird es mir kaum als ungalant ankreiden können, Admiral, wenn ich den Damen ein Anrecht aufgrößtmöglichen Komfort zubillige – und nichts anderes tue ich. Frauen an Bord, davon mag ich nichts hören und nichts sehen, und kein

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