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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Stallungen zum Eingang vorgefahren kam.– Offenbar reiste jemand ab. – Die Zügel führte ein Diener in Trauerkleidung.
    Bei dem Wort Kabriolett sprang Charles Musgrove vom Tisch auf, um den Wagen draußen mit dem seinen zu vergleichen, der Diener in Trauerkleidung erregte Annes Neugierde, und so spähten sie alle sechs aus dem Fenster, als der Besitzer des Wagens selbst aus der Tür trat und sich unter den Verneigungen und Höflichkeitsbezeigungen der versammelten Dienerschaft auf seinen Sitz schwang und losfuhr.
    »Ah!« rief Captain Wentworth sofort mit einem halbenBlick in Annes Richtung, »das ist der Mann, dem wir vorhin begegnet sind.«
    Die Miss Musgroves pflichteten ihm bei; und nachdem sie ihm mit den Blicken alle sorglich so weit den Berg hinaufgefolgt waren, wie sie nur konnten, setzten sie sich wieder an den Frühstückstisch. Kurz darauf kam der Kellner herein.
    »Sagen Sie doch«, begann Captain Wentworth sogleich, »wissen Sie wohl, wer der Herr war, der da gerade abgereist ist?«
    »Jawohl, Sir, ein Mr. Elliot; ein sehr vermögender Gentleman, gestern abend aus Sidmouth angekommen – ich schätze, Sie werden den Wagen gehört haben, als Sie zu Tisch saßen, Sir – und eben nach Crewkherne aufgebrochen zur Weiterfahrt nach Bath und London.«
    »Elliot!« – Viele Blicke waren gewechselt und der Name viele Male wiederholt worden, ehe all dies übermittelt war, selbst mit der routinierten Zungenfertigkeit eines Kellners.
    »Du meine Güte!« rief Mary aus, »das muß unser Vetter sein; – es muß unser Mr. Elliot sein, ganz bestimmt! – Charles, Anne, sagt doch auch! In Trauer, genau wie unser Mr. Elliot es sein muß. Was für ein außerordentliches Zusammentreffen! Im selben Gasthaus wie wir! Anne, ist das nicht ganz sicher unser Mr. Elliot, der Erbe meines Vaters? Bitte, Sir« (hier wandte sie sich an den Kellner), »haben Sie nicht vielleicht gehört – hat sein Diener vielleicht zufällig erwähnt, daß er mit den Elliots in Kellynch verwandt ist?«
    »Nein, Ma’am, er hat keine Verwandtschaft im besonderen erwähnt, nur, daß sein Herr ein sehr reicher Gentleman ist und eines Tages ein Baronet wird.«
    »Ich wußte es!« rief Mary ganz verzückt. »Habe ich es euch nicht gesagt! Der Erbe von Sir Walter Elliot! – ich wußte, das spricht sich herum, wenn es der Richtige ist! Verlaßt euch drauf, es wird von seinen Dienern herausposaunt, wo immer er hinkommt. Aber, Anne, was für ein Zusammentreffen! Hätte ich ihn mir nur besser angesehen! Hätten wir nur rechtzeitig erfahren, wer er ist, dann hätte er uns vorgestelltwerden können. Wirklich ein Jammer, daß wir uns nicht vorgestellt worden sind! – Ob er wohl die Elliot-Physiognomie hat? Ich habe so wenig auf ihn geachtet, ich habe mir die Pferde angeschaut, aber ich meine doch, er hatte die Elliot-Physiognomie. Daß mir das Wappen nicht aufgefallen ist! Halt, nein – der Mantel hing darüber und hat es verdeckt; so muß es gewesen sein, denn sonst hätte ich es doch sicher bemerkt, und die Livree auch; wenn der Diener nicht Trauer getragen hätte, dann hätte man ihn an der Livree erkannt.«
    »Angesichts dieser höchst außergewöhnlichen Verkettung von Umständen«, bemerkte Captain Wentworth, »müssen wir es wohl als Fügung des Schicksals ansehen, daß Sie und Ihr Vetter sich nicht vorgestellt worden sind.«
    Sobald sie Marys Aufmerksamkeit gewinnen konnte, versuchte Anne ihr mit gedämpfter Stimme begreiflich zu machen, daß das Verhältnis zwischen ihrem Vater und Mr. Elliot seit vielen Jahren nicht dazu angetan war, eine Bekanntschaft in irgendeiner Weise erstrebenswert scheinen zu lassen.
    Gleichzeitig jedoch war es ihr eine heimliche Genugtuung, ihren Vetter gesehen und sich überzeugt zu haben, daß der künftige Besitzer von Kellynch zweifelsohne ein Gentleman und ganz offenbar ein verständiger Mann war. Sie hütete sich, ihre zweite Begegnung mit ihm zu erwähnen; denn auch wenn Mary es gottlob leicht zu nehmen schien, daß ihr Morgenspaziergang die anderen so dicht an ihm vorbeigeführt hatte: daß Anne auch noch im Korridor mit ihm zusammenstoßen und seine galanten Entschuldigungen hatte vernehmen dürfen, während Mary selbst keine Sekunde in seiner Nähe gewesen war, das hätte sie ihrem Schicksal gewiß nicht verziehen; nein, dieses kleine Tête-à-tête zwischen Vetter und Kusine galt es tunlichst zu verschweigen.
    »Natürlich«, sagte Mary, »wirst du in deinem nächsten Brief nach Bath erwähnen, daß wir ihn

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