Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
Vom Netzwerk:
hätten.«
    Anne lächelte mehr als einmal in sich hinein bei Henriettas Rede, bevor sie auf das Thema einging, ebensogern bereit, ihre Einfühlsamkeit in den Dienst einer jungen Dame zu stellen wie in den eines jungen Mannes – auch wenn es hier ein Dienst minderer Art war, denn was hatte sie schon zu geben außer durchgehender Zustimmung? – Sie sagte alles, was in der Angelegenheit vernünftig und angebracht schien: bestätigte, wie sehr Dr. Shirley seine Ruhe verdient habe, hielt es für äußerst wünschenswert, daß ihm ein tatkräftiger, achtbarer junger Mann als Kurat an die Seite gestellt würde, und deutete generöserweise sogar an, welch Vorteil es doch sei, wenn ein solcher Kurat verheiratet wäre.
    »Ich wünschte«, sagte Henrietta, hochzufrieden mit ihrer Gefährtin, »ich wünschte, Lady Russell würde in Uppercross wohnen und wäre enger mit Dr. Shirley bekannt. Nach allem, was ich über Lady Russell höre, ist sie eine Frau von immensem Einfluß auf ihre Mitmenschen. Sie kann die Leute zu allem bringen, denke ich immer! Ich fürchte mich vorihr, wie ich dir schon gesagt habe, sehr sogar, weil sie so ungeheuer klug ist; aber ich habe den höchsten Respekt vor ihr, und ich wünschte, wir hätten eine solche Nachbarin in Uppercross.«
    Anne war belustigt von Henriettas Art, ihre Dankbarkeit zu zeigen, belustigt auch darüber, daß der Gang der Dinge und die neue Ausrichtung von Henriettas Interessen ihre Freundin zumindest bei einem Mitglied der Familie Musgrove in ein so positives Licht gerückt haben sollten; ihr blieb jedoch nur Zeit zu einer Antwort allgemeiner Natur, derart, daß wohl jeder Ort eine Lady Russell gebrauchen könne, ehe alle Gespräche jäh abbrachen, denn Louisa und Captain Wentworth kamen auf sie zu. Auch sie hatte es vor dem Frühstück ins Freie gezogen; im nächsten Moment freilich fiel Louisa ein, daß sie in einem Geschäft noch etwas zu besorgen hatte, und sie forderte die anderen auf, ihr wieder hinauf in den Ort zu folgen. Alle fügten sie sich ihrem Wunsch.
    Als sie an der Treppe anlangten, die vom Strand heraufführte, trat ein Herr, der sich soeben zum Hinuntergehen anschickte, höflich einen Schritt zurück, um ihnen den Vortritt zu lassen. Sie stiegen hinauf und gingen an ihm vorbei; und dabei fiel seine Auge auf Annes Gesicht, und er maß sie mit solch ernsthafter Bewunderung, daß es ihr nicht entgehen konnte. Sie sah auffallend wohl aus; der kräftige Wind, der ihr ins Gesicht geblasen hatte, und dazu ein Glanz in ihren Augen, der ebenfalls sein Werk war, hatten ihren sehr regelmäßigen, sehr hübschen Zügen die alte blühende Frische wiedergegeben. Es war unübersehbar, daß der Herr (unverkennbar ein Mann von Benehmen) mehr als angetan von ihr war. Captain Wentworth drehte sich unverzüglich zu ihr um, auf eine Weise, die deutlich machte, daß auch er es bemerkt hatte. Er warf ihr einen raschen Blick zu – mit einem Aufblitzen darin, das zu besagen schien: »Diesem Mann gefällt, was er sieht – und selbst ich entdecke in diesem Moment etwas von der Anne Elliot von früher.«
    Nachdem sie Louisa zu ihrer Besorgung begleitet hatten und noch ein wenig herumgestreift waren, kehrten sie ins Wirtshaus zurück; und als Anne eilig aus ihrem Zimmer in die Gaststube hinüberging, in der ihnen das Frühstück serviert wurde, wäre sie beinahe mit dem Herrn von vorhin zusammengestoßen, der aus dem angrenzenden Raum kam. Sie hatte schon zuvor vermutet, daß er von auswärts war wie sie auch, und bei sich beschlossen, daß ein schmuck aussehender Reitknecht, der bei ihrer Rückkehr in der Nähe der beiden Gasthäuser herumstolziert war, zu ihm gehören mußte. Daß Herr wie Diener in Trauer waren, bestärkte sie in ihrer Vermutung. Jetzt hatte sie den Beweis, daß er im selben Quartier abgestiegen war wie sie; und bei diesem zweiten Zusammentreffen, so kurz es auch ausfiel, bewies ihr zudem der Ausdruck auf seinem Gesicht erneut, daß ihm das ihre ausnehmend gut gefiel, und die Promptheit und Gewandtheit seiner Entschuldigungen, daß er ein Mann mit exzellenten Umgangsformen war. Er war um die dreißig und, wenngleich nicht eben schön, so doch von anziehendem Äußeren. Anne hätte nicht ungern gewußt, wer er war.
    Ihr Frühstück ging dem Ende zu, als das Rasseln einer Kutsche (fast der ersten, die sie seit ihrer Ankunft in Lyme hörten) die Hälfte der Gesellschaft ans Fenster lockte. Die Kutsche eines Gentlemans … ein Kabriolett … das allerdings nur von den

Weitere Kostenlose Bücher