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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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gesehen haben. Mein Vater sollte auf alle Fälle darüber Bescheid wissen; schreibe ihm alles ganz genau.«
    Anne vermied eine direkte Antwort, aber es war just die Art Umstand, die zu übermitteln sie nicht nur höchst überflüssig fand, sondern die sie strikt zu verheimlichen gedachte. Von der Kränkung, die ihrem Vater vor all den Jahren widerfahren war, wußte sie; Elizabeths speziellen Anteil daran ahnte sie; und daß der Gedanke an Mr. Elliot in beiden unfehlbar Unmut hervorrief, stand außer Frage. Mary selbst schrieb nie nach Bath: die Last, eine schleppende und unbefriedigende Korrespondenz mit Elizabeth in Gang zu halten, fiel ganz allein Anne zu.
    Das Frühstück war kaum vorbei, als Captain und Mrs. Harville und Captain Benwick wieder zu ihnen stießen, mit denen ein letzter Spaziergang durch Lyme verabredet war. Der Aufbruch nach Uppercross sollte nicht später als um ein Uhr erfolgen, und bis dahin wollten sie alle möglichst lange zusammen und im Freien sein.
    Zu Anne gesellte sich, sowie sie alle aus der Tür getreten waren, Captain Benwick. Ihre Unterhaltung vom Vorabend hielt ihn anscheinend nicht davon ab, erneut ihre Nähe zu suchen, und eine Zeitlang gingen sie Seite an Seite und sprachen wie zuvor über Mr. Scott und Lord Byron, auch diesmal wieder so uneins wie wohl jegliche zwei Leser, was die Stärken des einen und des anderen anbetraf, bis irgendein Anlaß die Gruppe fast völlig neu durchmischte und Anne sich statt neben Captain Benwick neben Captain Harville wiederfand.
    »Miss Elliot«, begann der, die Stimme gesenkt, »Sie haben ein gutes Werk vollbracht, daß Sie den armen Kerl so aus sich herausgelockt haben. Ich wollte, er könnte viel öfter in solcher Gesellschaft sein. Es tut ihm nicht gut, daß er sich hier so vergräbt, ich weiß schon, aber was bleibt uns übrig – denn uns zu trennen kommt nicht in Frage.«
    »Nein«, sagte Anne, »das glaube ich wohl, daß das nicht in Frage kommt, aber vielleicht ja im Lauf der Zeit – wir alle wissen, welch lindernde Wirkung die Zeit noch auf jedenKummer gehabt hat, und Sie dürfen nicht vergessen, Captain Harville, daß die Trauer Ihres Freundes gewissermaßen noch jung ist. – Erst letzten Sommer, glaube ich?«
    »Ja, allerdings« (mit einem tiefen Seufzer), »im Juni erst.«
    »Und ohne daß er es gleich erfahren hätte, nicht wahr?«
    »Erst in der ersten Augustwoche, als er vom Kap zurückkam – als frischernannter Kapitän der Grappler. Ich war in Plymouth, und mir graute davor, von ihm zu hören; er schickte Briefe, aber die Grappler war nach Portsmouth kommandiert. Dorthin mußte die Nachricht ihm folgen, aber wer sollte der Überbringer sein? Nicht ich! Lieber hätte ich mich an der Rah aufhängen lassen. Keiner brachte es über sich, keiner außer diesem tapferen Burschen« (er deutete auf Captain Wentworth). »Die Laconia war die Woche zuvor in Plymouth eingelaufen, und es bestand keine Gefahr, daß sie wieder auslaufen würde, und den Rest hat er auf seine eigene Kappe genommen – hat Urlaub beantragt, aber den Bescheid nicht mehr abgewartet, ist Tag und Nacht durchgereist, bis er in Portsmouth ankam, und stehenden Fußes zur Grappler hinausgerudert, und dann hat er den armen Kerl eine Woche nicht aus den Augen gelassen; das hat er getan, und keiner außer ihm hätte den armen James retten können. Sie machen sich keinen Begriff davon, Miss Elliot, wie teuer er uns ist!«
    Anne machte sich einen lebhaften Begriff davon, und sie gab dem Ausdruck, soweit als ihre eigenen Gefühle es zuließen und die seinigen es zu verkraften schienen, denn er war zu aufgewühlt, um noch mehr zu dem Thema zu sagen – und als er weitersprach, fing er von etwas ganz anderem an.
    Mrs. Harville fand den Marsch zurück zu ihnen nach Hause mehr als reichlich für ihren Mann, und entsprechend lenkte die Gesellschaft bei diesem letzten Gang ihre Schritte: sie wollten den anderen das Geleit bis zur Haustür geben und dann umkehren und selbst die Heimfahrt antreten. Nach ihren Berechnungen reichte die Zeit dafür gerade aus; aber als sie sich der Mole näherten, erfaßte sie alle eine solcheLust, noch einmal auf ihr entlangzugehen; es drängte sie so sehr, und Louisa war schon bald so entschlossen, daß sie einmütig entschieden, auf eine Viertelstunde hin oder her komme es nicht an; mit so vielen herzlichen Abschiedswünschen, so vielen herzlichen gegenseitigen Einladungen und Versprechungen, wie sich nur denken läßt, trennten sie sich von Captain

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