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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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sprach von seiner jüngsten Tochter, Mr. Elliot möge ihm gestatten, ihm seine jüngste Tochter vorzustellen (Mary schien seinem Gedächtnis entfallen) – und die lächelnde und errötende Anne bot Mr. Elliots Blick aufs gefälligste die hübschen Züge dar, die er keineswegs vergessen hatte, und sah sofort, nicht unbelustigt über sein verblüfftes Stutzen, daß er keine Ahnung gehabt hatte, wer sie war. Er war sichtlich überrumpelt, aber ebenso sichtlich erfreut; in seinen Augen blitzte es auf, und mit der allergrößten Bereitwilligkeit begrüßte er die Verwandtschaft zwischen ihnen, nahm auf die Vergangenheit Bezug und bestand darauf, daß sie bereits Bekannte seien. Er sah gerade so gut aus, wie es in Lyme den Anschein gehabt hatte, seine Züge gewannen beim Sprechen noch, und sein Auftreten war so durch und durch, wie es sein sollte, so gewandt, so ungezwungen, so überaus angenehm, daß ihr nur das einer einzigen Person als Vergleich einfiel. Ganz mithalten konnte es nicht, aber es war möglicherweise ähnlich gut.
    Er setzte sich zu ihnen, und die Unterhaltung gewann durch ihn ganz erheblich. Es konnte keinen Zweifel geben, daß er ein Mann von Verstand war. Zehn Minuten reichten aus, um das zu bescheinigen. Sein Ton, seine Formulierungen, seine Themen, sein Gespür dafür, wie weit er gehen konnte – all das zeigte ein vernünftiges, scharfsichtiges Urteil am Werk. So bald als möglich lenkte er die Sprache auf Lyme – wollte Annes Eindrücke mit den seinen vergleichen, aber mehr noch von der merkwürdigen Fügung reden, die sie beide zur selben Zeit ins selbe Wirtshaus gebracht hatte; ihr seine Route beschreiben, die ihre erfragen und sein Bedauern äußern, daß er diese Gelegenheit verpaßt hatte, sie kennenzulernen. Sieschilderte ihm kurz, in welcher Gesellschaft sie gereist war und was sie nach Lyme geführt hatte. Sein Bedauern wuchs, je mehr er erfuhr. Er hatte einen ganzen einsamen Abend in der Stube neben ihrer gesessen; hatte Stimmen gehört, fröhliche Stimmen durchweg; hatte bei sich gedacht, was für eine angeregte Runde das sein mußte, und sich zu ihnen hinübergesehnt, ohne freilich die leiseste Ahnung, daß er auch nur den Hauch eines Anrechts besitzen könnte, sich ihnen zu nähern. Hätte er doch gefragt, was für Leute da nebenan versammelt saßen! Der Name Musgrove hätte ihm genug gesagt. Nun, das würde ihn davon kurieren, sich in keinem Gasthof je über andere Gäste zu erkundigen – ein absurder Grundsatz noch aus ganz jungen Jahren, als er sich einbildete, daß es unfein sei, Neugier an den Tag zu legen.
    »Die Vorstellungen eines jungen Mannes von ein- oder zweiundzwanzig«, sagte er, »darüber, welches Verhalten dazu angetan ist, ihn gut dastehen zu lassen, sind so absurd wie sonst fast nichts auf der Welt. Die Torheit der Mittel, derer er sich bedient, wird höchstens noch übertroffen von der Torheit der Ziele, die er damit zu erreichen hofft.«
    Aber er konnte seine Betrachtungen nicht mit Anne allein teilen, das war ihm klar, und so galt seine Aufmerksamkeit schon bald wieder ihnen allen, und nur sporadisch konnte er auf Lyme zurückkommen.
    Seine Nachfragen entlockten ihr jedoch über kurz oder lang eine Schilderung des Vorfalls, in den sie dort bald nach seiner Abreise verwickelt gewesen war. Nachdem sie »einen Unfall« erwähnt hatte, bestand er darauf, die ganze Geschichte zu erfahren. Als er nachhakte, fingen auch Sir Walter und Elizabeth zu fragen an; doch über den Unterschied in der Art und Weise ließ sich nicht hinwegsehen. Sie konnte Mr. Elliot nur mit Lady Russell vergleichen, so ernsthaft war er um ein rechtes Verständnis des Geschehenen bemüht und so sehr nahm er Anteil daran, was sie selbst dabei durchgemacht haben mußte.
    Er blieb eine Stunde bei ihnen. Die elegante kleine Uhr auf dem Kaminsims schlug »schon elf mit zartem Silberklang« 11 , und der Nachtwächter ließ sich in der Ferne mit dem gleichen Ruf vernehmen, ehe Mr. Elliot oder irgendeinem in der Runde zu Bewußtsein kam, wieviel Zeit vergangen war.
    Anne hätte nie für möglich gehalten, daß ihr erster Abend am Camden Place so gut verlaufen könnte!

KAPITEL IV
    Eines gab es, was Anne bei der Rückkehr zu den Ihren noch lieber bestätigt gefunden hätte, als daß Mr. Elliot verliebt in Elizabeth war, nämlich, daß Sir Walter nicht in Mrs. Clay verliebt war; und in dieser Hinsicht war sie nach ihren ersten Stunden zu Hause keineswegs beruhigt. Als sie am nächsten Morgen zum Frühstück

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