Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung
würde lernen, für Scott und Lord Byron zu schwärmen; obwohl, das war bestimmt längst gelernt; natürlich hatten sie sich beim Gedichtelesen verliebt! Louisa Musgrove eine Literatin, die sich poetischen Betrachtungen hingab – der Gedanke belustigte Anne, aber sie zweifelte nicht, daß dem so war. Warum sollten sich der Tag in Lyme, der Sturz auf dem Cobb weniger nachhaltig auf ihre Gesundheit, ihre Nerven, ihren Lebensmut und Charakter auswirken, als er sich offenbar schon auf ihr Schicksal ausgewirkt hatte?
Nein, wenn die Frau, die Captain Wentworth wertzuschätzen gewußt hatte, nun einen anderen vorzog, dann war an der Verlobung letztlich nichts Verwunderliches, und wenn Captain Wentworth darüber keinen Freund verlor, auch sicherlich nichts zu bedauern. Und Bedauern war es auch nicht, was Annes Herz gegen ihren Willen schneller klopfen ließ und ihr das Blut in die Wangen trieb bei der Vorstellung, daß Captain Wentworth frei und ungebunden war. Es war etwas, dem auf den Grund zu gehen sie sich schämte. Es fühlte sich zu sehr wie Glück an, unsinniges Glück!
Sie fieberte dem Treffen mit den Crofts entgegen, aber als es soweit war, merkte sie gleich, daß die Nachricht noch nicht bis zu ihnen gedrungen sein konnte. Der Einstandsbesuch wurde gemacht und erwidert, und Louisa Musgrove wurde erwähnt, und Captain Benwick ebenfalls, ohne daß sich irgend jemand auch nur ein Lächeln verkniff.
Die Crofts hatten sich in der Gay Street eingemietet und fanden damit Sir Walters vollste Zustimmung. Er schämte sich der Bekanntschaft keineswegs, im Gegenteil, der Admiral nahm in seinem Denken und Reden weit mehr Raum ein als er selbst in dem des Admirals.
Die Crofts kannten so viele Menschen in Bath, wie sie sich nur wünschen konnten, und verkehrten mit den Elliots rein der Form halber, nicht weil sie sich davon eine Bereicherung versprachen. Getreu ihrer ländlichen Gewohnheit sah man sie auch hier fast immer zusammen. Ihm war gegen seine Gicht Spazierengehen verordnet worden, und Mrs. Croft, die alles mit ihm teilte, spazierte um ihr Leben, um ihm Gutes zu tun. Anne begegnete ihnen auf Schritt und Tritt. Lady Russell und sie fuhren fast jeden Morgen aus, und keine Fahrt verging, ohne daß sie an die beiden dachte, und keine Fahrt verging, ohne daß sie sie irgendwo sah. Ihr, die um ihre Gefühle füreinander wußte, boten sie stets ein herzerfrischendes Bild des Glücks. Sie beobachtete sie immer, so lange sie konnte, und stellte sich ihre Gespräche vor, während sie in fröhlicher Selbstgenügsamkeit dahinmarschierten, oder freute sich an dem markigen Handschlag, mit dem der Admiral einen alten Freund begrüßte, oder am Redeeifer der zwei, wenn sie in einem kleinen Pulk von Seeleuten standen, Mrs. Croft mit nicht minder gespannter, wissender Miene als die Offiziere um sie herum.
Anne unternahm zuviel mit Lady Russell, um oft allein unterwegs zu sein, aber eines Vormittags, vielleicht eine Woche oder zehn Tage nach der Ankunft der Crofts, fügte es sich, daß sie sich in der Unterstadt von ihrer Freundin odervielmehr der Kutsche ihrer Freundin trennte und zu Fuß zurück zum Camden Place ging; und als sie in der Milsom Street war, wollte es das Glück, daß sie auf den Admiral traf. Er stand für sich allein vor dem Schaufenster einer Graphikhandlung, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und betrachtete so versunken einen Stich in der Auslage, daß sie nicht nur unbemerkt an ihm hätte vorbeigehen können, sondern ihn, nachdem sie seinen Namen gesagt hatte, auch noch antippen mußte, bevor er sie wahrnahm. Als er ihrer aber ansichtig wurde und sie begrüßte, geschah es mit all seiner üblichen Offenheit und Aufgeräumtheit. »Ah! Sie sind das? Danke, allerschönsten Dank! Das nenn ich freundschaftlich gehandelt! Da stehe ich und starre dieses Bild an. Ich kann nie hier vorbeikommen, ohne stehenzubleiben. Aber was ist das auch für ein Schiff! Schauen Sie es sich an. Haben Sie je so etwas gesehen? Diese Herren Kunstmaler müssen schon seltsame Burschen sein – als ob irgendwer sein Leben in so einer unförmigen alten Nußschale aufs Spiel setzen würde! Und doch sitzen hier zwei Gentlemen in schönster Seelenruhe und blicken um sich auf die Felsen und Berge, als müßten sie nicht jeden Moment kentern, wie sie es garantiert tun werden. Ich wüßte zu gern, wo dieses Boot gebaut worden sein soll!« (mit herzlichem Lachen), »ich würde mich darin nicht durch eine Pferdeschwemme zu schippern trauen. Aber
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